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Viel Text heute, aber mir ist es wichtig

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Seit letzten Donnerstag liegt mir auf dem Herzen, inhaltlich in die Diskussion über unseren Artikel auf dem MMM-Blog einzusteigen. Der unschöne Trubeln im DIY-Bloggerland, körperliches Unwohlsein und private und berufliche Verpflichtungen hielten mich bisher davon ab. Ich nehme heute endlich suschnas Kommentar bei Melleni als Ausgangspunkt, um meine Position etwas genauer zu erläutern und zitiere daraus. 

Genau so einen Kommentar habe ich mir zu unserem Text auf dem Me Made Mittwoch Blog gewünscht. Gedankenanstöße, die mich mich zum Weiterdenken anregen  - denn das es Blinde Flecken gibt, dass wir, bei dem tausendmal hin- und hermailen beim gemeinsamen Schreiben eines Textes, ganz sicherlich eine Menge übersehen haben, war mir/uns natürlich klar. Danke Suschna!

"- Der MMM wird von den Teilnehmerinnen sehr bejubelt, die Crew tritt sehr geschlossen auf (dadurch entsteht vielleicht auch der Eindruck einer dubiosen "Macht"). Kritische oder abwägende Stimmen werden vielleicht von der Crew, aber nicht von den "Fans" gern gesehen." (suschna in den Kommentaren bei talentfreischön)

Der MMM wird bejubelt. Ja, das ist wirklich schön. Die Bestätigung tut gut. Punkt. 

Die Crew tritt geschlossen auf. Warum eigentlich? Und wie macht sie das? Ich kann euch sagen, wir mailen sehr sehr viel. Mein Postfach quillt über, seit dem ich in der Crew bin. Wir besprechen und beraten uns sehr viel, wir diskutieren und sind nicht immer einer Meinung. Ich erlebe das Gemeinsame als immens bereichernd, weil ich das Gefühl habe, durch unsere Verschiedenheit viel lernen zu können.  Wir schauen uns jeden MMM-Beitrag an, wir geben dazu Feedback oder löschen ihn auch, wenn er nicht unseren Vorgaben entspricht. Das machen wir nicht leichtfertig und es gib sehr sehr oft Fälle, in denen wir ein Vorgehen erst diskutieren. Wir machen das als Gruppe, weil es für eine Einzelne nicht nur zu viel Arbeit wäre, sondern auch zu viel Verantwortung, denn es ist wirklich nicht immer leicht, eine Entscheidung zu treffen. 

Die kritischen Stimmen sehen wir in der Tat gerne, sonst würden wir nicht zu Feedback einladen. Vielleicht haben wir nicht immer sofort, vielleicht auch keine einstimmige, vielleicht auch gar keine Antwort darauf. Aber wir lesen es und machen uns unsere Gedanken. Der MMM ist ein Projekt, d.h. er kann sich auch verändern. Warum auch nicht?! Es gibt den MMM auch nur aufgrund seiner Teilnehmerinnen. Ohne die Teilnehmerinnen wäre der MMM nichts. Bei so einer großen Menge an Teilnehmerinnen können wir zwar moderieren, aber der MMM wird von allen gemacht. 

"- Es entsteht ein "Wir sind eine große Familie"-Gefühl und es geht in Richtung Krabbenkorb. Andersdenkende äußern sich nicht mehr, suchen sich andere Kanäle, Aggressionen brodeln unterschwellig, "Gegenkoaltionen" werden gebildet. "(suschna in den Kommentaren bei talentfreischön)


Ich freue mich über ein "Wir-Gefühl", wohlwissend, dass es trügerisch ist, denn das "wir" ist nur eine Schnittmenge aus den unzähligen Interessen und Persönlichkeitsmerkmalen, die die Teilnehmenden des "wird" haben. Wir, als Gruppe der Teilnehmenden, sind ja nicht einmal ein konstantes "wir", denn unsere Tür ist offen und jede kann kommen und gehen wie es ihr beliebt. Und trotzdem ist da dieses Gefühl. Das Gefühl, nicht alleine zu sein und die Möglichkeit, Gleichgesinnten zu begegnen, mich mit ihnen auszutauschen und mich zumindest in manchen Dingen auf sie verlassen zu können. Das weiß ich sehr zu schätzen. Wenn ich zum Beispiel manchmal das Gefühl habe "overdressed" durch die Gegend zu laufen, dann sehe ich zwar um mich herum "nur" die in den Jeans und Funktionsjacken, aber durch den MMM weiß ich, dass es noch mehr so welche wie ich gibt und mein "overdressed-Gefühl" relativiert sich wieder. Das tut gut. 

"Ich bin wahrlich keine Soziologin, aber ich könnte mir vorstellen, das das schon ein Prozess ist, den Gruppenbildung so mit sich bringt: vor allem wenn die Gruppe immer größer und erfolgreicher wird. Der gemeinsame Nenner wird irgendwie kleiner. Dadurch gibt es schneller auch Unstimmigkeiten und es treffen auch immer mehr unterschiedliche Ansätze aufeinander (oder manche ziehen sich zurück, weil sie sich dort nicht wiederfinden, aber werfen das der Gruppe dann im Stillen vor??)."  (frisfris in den Kommentaren bei talentfreischön)

Der gemeinsame Nenner wird kleiner. Ja, das trifft auf den MMM zu. Die Frage ist, möchte man dann lieber in der kleinen Kuschelgruppe bleiben, in der sich alle einig sind oder birgt die große Gruppe auch Vorteile. Eine große Gruppe lässt sich schlecht steuern. Wir haben es mit unseren Regeln versucht, versuchten aber gleichzeitig sehr offen zu sein: bei uns ist jede me-made-Klamotten-Näherin (und auch die Männer, denn die sind selbstverständlich immer mitgemeint) willkommen, egal, ob es das erste Shirt ist (oder das Hunderste) oder das ein schwieriger Mantel. Es ist sehr einfach, bei uns mitzumachen und jede kann ohne den Antrag auf Mitgliedschaft mitmachen. Die Erhaltung dieses niedrigschwelligen Angebots ist uns wichtig, auch wenn uns die Nachteile davon manchmal nerven. Das ist einer der Werte des MMM. 

Mir ist es nicht wichtig, dass durch das verbindende "wir", dass sich über das Selbstmachen und Tragen von Kleidung ausdrückt ein gemeinsame Meinung ausbildet. Im Gegenteil: erst durch die Pluralität der Meinungen, den Austausch über verschiedene Lebenswelten und die Haltungen dazu, wird es in meinen Augen erst interessant und lehrreich. Dabei habe ich immer wieder die Wahl, in welchen Blogs ich schauen will, bei welchen Blogs ich genauer hinschauen will und wo ich meinen Senf dazu gebe. 

Dass sich Grüppchen bilden, halte ich für völlig normal. Ich rede doch auch mit den einen über andere und den anderen über wieder andere. Das bleibt doch nicht aus. Und natürlich findet man sich gerade in der Unzufriedenheit und bestärkt sich gegenseitig durch Beobachtungen und den Austausch von Meinungen. Für die Grüppchen gilt für mich aber das Gleiche, wie für die Individuen: konstruktiver Austausch immer gerne - ansonsten bleibt doch weg bzw. bleibe ich einfach weg. Die Welt - auch die Me Made-Welt - ist groß genug, um sich dort aufzuhalten, wo es mir gut tut. 

- Wenn die Crew nach Meinungen fragt, gibt es außer "alles toll" keine Rückmeldungen mehr. 

Das sehe ich nicht so. Es gibt kritische Rückmeldungen. Es gab sie im Januar, als wir fragten, es gab sie letzte Woche, als wir den Text veröffentlichten und es gibt sie in den Kommentaren zu einzelnen Beiträgen, sei es beim MMM oder auch in anderen Blogs. Aber sie sind in der Tat in der Minderheit, das Positive überwiegt, weil es tatsächlich eine offene Tür ist und man wegbleiben kann, wenn es nicht gefällt. Und vielleicht überwiegt einfach auch das Positive. Zumindest für die, die mitmachen - und für die machen wir das ja auch. 

Mich wundert im Gegenteil, dass es immer wieder Äußerungen gab, dass die Teilnahme am MMM "aufgekündigt" wurde. Auf die Idee würde ich gar nicht kommen. Ich würde einfach wegbleiben. Ich habe in meinem Blog zwar immer mal Zweifel geäußert, ob ich noch weiter mitmachen will, aber ich habe das nicht der damaligen Organisatorin Cat offiziell kund getan - in der Annahme, dass sie das einfach nicht interessiert. Und ich habe es nicht getan, um gebeten zu werden, zu bleiben. Grundsätzlich finde ich es aber gut, wenn jemand sagt "ich habe Schwierigkeiten, weiter mitzumachen, weil mir es aus diesem oder jenem Grund nicht mehr gefällt", denn das gibt uns die Chance, unser Vorgehen zu überprüfen und abzuwägen, ob wir etwas verändern wollen. Manche Dinge haben wir verändert, ein Beispiel: als wir im August letzten Jahres als Crew begonnen haben, schufen wir uns eine gemeinsame anonyme Identität, mit der wir Regelverstöße kommentierten. Das wurde bemängelt, wir diskutierten die Sache und beschlossen, mutig genug zu sein, uns möglichen Angriffen mit unserer eigenen Identität zu stellen und den Schutz aufzugeben. 


"Dass das Durchlicken durch die Beiträge vielleicht auch langweilig ist, dass die Nähprodukte meist einem bestimmten Geschmacksbereich entsprechen, dass viele allein wegen der Klickzahlen mitmachen, dass man sich nicht von Konsumwahn und der Bekleidungsindustrie unabängig macht, wenn man mit deren Stoffen näht und das Genähte evtl. kaum oder gar nicht trägt, dass das mit dem verbesserten Körperbild vielleicht nur Augenwischerei ist, weil z.B. das Dünnseindiktat doch in allen steckt, dass der Text für die Republica ziemlich schwer zu lesen ist, die Crew das Vorhaben leider vorher nicht öffentlich gemacht hat - solche Stimmen besprechen sich lieber woanders, wenn sie keine Lust auf Ärger haben. Gestern stand irgendwo noch ein Kommentar, dass die Thesen in dem Republicaentwurf z.T. doch etwas bemüht wirken. Der Kommentar ist nun schon wieder weg, egal warum. Eine fruchtbare Diskussion kommt so nicht zustande. Keiner hat Lust, sich aus dem Fenster zu hängen." (suschna bei talentfreischön)

Ja, ja, ja... zu vielen dieser Kritikpunkte kann ich ja sagen - und trotzdem finde ich den MMM gut. Mir ist es auch langweilig, alle Beiträge anzuschauen und oft fehlt mir die Zeit - und trotzdem finde ich es super, dass so viele, verschiedenartige Menschen teilnehmen. Manchmal macht mich einfach die große Zahl froh. Seit dem es das "Bildchen-Link-Tool" gibt, steht es mir frei, auszuwählen, was ich mir anschaue. Das ist doch prima. Und trotzdem raffe ich mich oft dazu auf, alles anzuschauen, weil mir sonst manchmal Perlen entgehen. 

Teilnahme wegen der Klickzahlen finde ich nicht schlimm. Aufmerksamkeit ist doch die einzige Währung, die beim Bloggen funktioniert. Die Frage ist doch, ob sich die Vorbeikommenden den Blog merken und öfters vorbeikommen. Die einen freut es dann, weil sie höhere Werbeieinnahmen haben, die anderen, weil vielleicht spannende Diskussionen in den Kommentaren passieren. Das kann doch jede machen, wie sie will. Mich ärgert nur, wenn schnell ein Halstuch genäht wird, um dieses beim MMM zu zeigen, weil es mir/uns um Kleidung geht. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Sachen öfters gezeigt werden und dann spannende Trageberichte geschrieben werden. Die meisten sind doch nicht frei davon, eine Linkaktion wie den MMM dazu zu nutzen, stolz etwas Neues zu zeigen. Bei mir ist es aber so, dass sich nicht jedes Kleidungsstück bewährt oder ich es dann doch zu ganz anderen Gelegenheiten oder in anderer Kombination trage - so etwas lese ich auch sehr gerne bei anderen. Aber das ist Geschmackssache und Geschmäcker darf es beim MMM in aller Unterschiedlichkeit geben. 

Die Diskussion um Konsumwahn, Bekleidungsindustrie, kritischen Stoffeinkauf etc. finde ich immer wieder wichtig und gar nicht langweilig. Es schadet nichts, das eigene Vorgehen immer wieder kritisch zu hinterfragen. 

Jetzt wirds spannend "dass das mit dem verbesserten Körperbild vielleicht nur Augenwischerei ist". Ich würde sagen, dass kann nur jede für sich beantworten. Aber ich kann für mich sagen, dass es für mich stimmt. Das neue Körperbild meinerseits basiert auf sehr verschiedenen Dingen, die aber alle mit dem MMM zusammenhängen. 1. das regelmäßige Fotografieren; am Anfang eine schier unüberwindbare Hürde, mittlerweile nur noch lästige Last. Aber mich immer wieder auf Fotos anzuschauen, trainierte mein Selbstbild immens. 2. das Finden von anderen dicken Selbstnäherinnen war mich ein Highlight. Ich kann oft schon im Vorfeld schauen, wie ein Schnitt bei anderen Frauen unpopulären Formats wirkt und werde von diesen auf Ideen gebracht, welche Schnitte ich mal ausprobieren kann. Großartig. Als ich noch verstärkt auf der Suche war, gab es die Aktion "Big is beautiful" als Linksammelaktion noch nicht. Ich bin auch nicht überzeugt davon, dass es solche Spezialitätengruppen wirklich braucht - denn im großen Sammelbecken MMM kann sich jede die Blogs raussuchen, die als "Gruppe Gleichgesinnter" hilfreich ist. Aber egal, im Internet macht jedeR was sie will. 3. die Beitragssammlung über die Zeit hinweg, die meine eigene Entwicklung sehr schön aufzeigt. 4. Die Kommentare, die manchmal mein Bild von etwas zurechtrücken. 5. Und nicht zuletzt "der Applaus", der mir immens Mut macht. Immer wieder. 

Ja, der Text für die republica ist schwer zu lesen. Punkt. Ich denke, das liegt daran, dass Frauen ihn schrieben, die geübt sind in differenzierten Betrachtungen und Formulierungen und gewöhnt sind, auch schwierige Texte zu lesen. Ich vermute auch, dass es daran liegt, dass wir den Text gemeinsam geschrieben und immer wieder daran herumgefeilt haben. Aber, auch wenn ich der Meinung war, wir hätten ihn auch etwas "boulevardesquer" schreiben können, so kann ich mit der Schlußfassung leben, denn es lohnt die Mühe, sich auch mit diesem/einen schwierigem Text auseinander zu setzen. 

Eine vorherige Bekanntmachung des Vorhabens, unsere Thesen einer Öffentlichkeit zu präsentieren, finde ich nicht notwendig. Ich mag nicht jede Idee, die ich habe, vorher zur Diskussion stellen und ich habe nicht den Eindruck, jemand mit unserer Analyse "benutzt" zu haben. Das bedeutet nicht, dass ich das geäußerte Gefühl "sich benutzt geworden gefühlt" oder "vereinnamt worden gefühlt" nicht mit Bedauern zur Kenntnis nehme. Das tut mir in der Tat leid und dennoch bin ich der Meinungen, mit dem Text niemand benutzt oder vereinnahmt zu haben, denn es ist der Versuch einer Analyse und Beschreibung. 

"Unsere Thesen wirken etwas bemüht". Kann sein. Das ist bei neuen Thesen oft so. Wir bemühten uns, Zusammenhänge aufzudecken und Thesen zu entwickeln. Für diejenigen, die sich darüber noch keine Gedanken gemacht haben, kann das bemüht wirken. Für andere vielleicht inspirierend. Ich glaube, dass neue Verständnisprozesse nur in Gang gesetzt werden können, wenn irgendjemand immer mal damit anfängt, sich um neue Thesen zu bemühen. 

Das war jetzt wieder ein langer Text und sicherlich auch mühsam. Aber es ist eine Einladung zur Diskussion, bei der wir durchaus unterschiedlicher Meinung sein können - deswegen habe ich auch hier so deutlich in der "Ich-Form" geschrieben und diesen Text nicht im Vorfeld mit der Crew besprochen. Natürlich gibt es noch viel mehr zusagen - ein Teil davon, haben schon andere Crew-Mitgliedern in Kommentaren an verschiedenen Stellen getan (besonderer Dank an Frau Nahtzugabe!) Ich fände toll, wenn wir den MMM nicht nur erleben und nutzen, sondern mehr und mehr verstehen würden, wenn unsere Thesen sich verhärten oder verändern und wenn wir das, was mich so bewegt, auch mit anderen teilen könnten! 

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