Huch, Drapieren, ich? Eigentlich dachte ich immer, drapieren würde mich nicht interessieren. Ich stellte mir darunter vor, dass feinsinnige Menschen, fliessende Seidenstoffe um eine Puppe oder einen Körper hüllen, französisch ihr Gefallen oder Missfallen verkunden und dann wahnsinnig couturige Sachen produzieren.
Als ich letztens in Berlin war und meine Freundin und ehemalige Praktikumschefin Lindy in ihrem Laden und Atelier traf, fragte ich sie, ob sie mir "mal eben schnell" zeigen könnte, wie frau eigentlich einen Schnitt von einer Person/Puppe abnehmen könnte, ohne auf einem Blatt zu konstruieren. Ich ahnte ja nicht, dass man das drapieren nennt. Das kapierte ich erst gestern, als ich mir folgendes Buch aus der Bücherhalle auslieh und darin ganz ähnliche Fotos entdeckte, wie ich sie bei meiner kleinen Lehrstunde im Hause STOKX machte.
"Ich habe nur 15 Minuten Zeit, aber kein Problem, ich zeige es dir," sprach meine liebe Freundin Lindy, rollte eine Puppe herbei und riss ein Stück Stoff zum üben von einer Rolle. Sie steckte das Stück Stoff so auf der Puppe fest, dass die Webkante exakt an der vorderen Mitte steckte, danach fixierte sie den Stoff an der Schulter und markierte die Taille mit einem Band. Jetzt ging es schnell. Um mit dem Stoff die Körperformen abzunehmen, steckte sie einen Schulterabnäher und einen Taillenabnäher. Danach malte sie auf den Stoff die Seitennaht, die Schulternaht und das Armloch. Ich war beeindruckt. Dann durfte ich auf der anderen Seite es auch mal versuchen. Die strenge Lehrerin kontrollierte meinen abgenommen Schnitt mit ihrem und war zufrieden. Ich war zunächst erstaunt, denn mein Ergebnis sah anders aus als ihres. Es dauerte einen Moment bis ich verstand, dass das daran lag, dass ich die Abnäher nicht exakt an der selben Stelle positioniert hatte wie Lindy. Als wir die Abnäher aufschnitten und verschoben, sah ich aber, dass der Abnäherinhalt korrekt war. Well done, Meike!
Am Rückenteil war es eigentlich die gleiche Vorgehensweise. Wieder wurde nur die eine Körperhälfte abgenommen, in dem die Stoffkante an der hinteren Mitte ausgerichtet war. Im Schnelldurchlauf kam dann noch ein kleiner Vortrag über Revers und Kragenformen. Aber ich glaube, das muß ich mir noch mal in Ruhe ansehen.
edit: Was ich vergaß zu Erwähnen: Die Abnäher werden übrigens auch ganz einfach mit dem Stift markiert. Einfach mit dem Filzstift an der Abnäherkante und dort, wo sie den Stoff berührt langfahren, so werden gleichzeitig beide Schenkel gezeichnet.
Fazit: Krass! So geht drapieren?! Ab gesehen davon, dass ich keine Puppe besitze finde ich das ziemlich toll. Grundsätzlich finde ich die zweidimensionale Schnittkonstruktion, so wie ich sie im Unterricht lernte leicht anzuwenden, aber ich hatte ja gesehen, dass das nur die halbe Miete ist und es anschließend noch einiger Probemodelle und Schnittkorrekturen brauchte, bis der Schnitt wirklich für den echten Körper gemacht war. Das Drapieren verschaffte mir diesbezüglich noch mal neue Erkenntnisse - frau lernt nie aus!