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Schnittmuster anpassen #3: Fortsetzung FBA und Abnäher verlegen

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Wer genau mitgelesen hat, hat letzte Woche bemerkt, dass ich mit der FBA eigentlich noch nicht ganz fertig war. Ich hatte aber das Gefühl, dass der Beitrag sonst zu lang wird und brach deswegen ab. Heute geht es zu dem Thema weiter.

Übrigens: Nächste Woche sind Schulferien in Hamburg, da macht auch die Blogserie eine Woche Pause und am 15. März geht es dann weiter mit dem Rückenteil. 

Außerdem möchte ich noch eine Sache ergänzen: ich schrieb letzte Woche, dass eine simple Weitenkorrektur an der Seitennaht für mich keine gute Methode wäre. Ich habe darüber noch einmal nachgedacht und auch noch Einiges nachgelesen, deswegen hier noch eine Ergänzung meiner zu strengen Aussage: An der Seitennaht weiter machen ist durchaus eine übliche Methode. Alle Teile des Schnittmusters werden zum Vergrößern verbreitert und verlängert, es wird die Seitennaht nach außen verschoben, das Schnittteil etwas länger gemacht und auch das Armloch vergrößert. Wer also ein Schnittmuster in relativ kleiner Größe vorliegen hat, kommt um dieses Vergrößern nicht herum, soll es auch am Armloch und am Rücken passen. Damit aber ein passendes Rückenteil nicht unnütz vergrößert wird, wenn nur vornerum mehr Platz gebraucht wird, wird in solchen Fällen eine FBA gemacht.







Für eine größere Oberweite hatte ich letzte Woche das Schnittteil auseinander geschnitten und auseinander gezogen. Dadurch entstand ein Brustabnäher in der Seitennaht und in der vorderen Mitte musste Länge zugegeben werden. Wenn du dir das Bild genau anschaust, dann fällt noch etwas auf: auch unter der Brust haben wir nun mehrWeite! Das ist zwar bequem aber in meinen Augen nicht wirklich schön. Bei einem Kleidungsstück würde nun der Stoff von der Brust senkrecht herunterfallen oder z.B. bei einer Bluse, die in einen Bund gesteckt wird, oberhalb des Bundes bauschen.

Der Stoff, der unter der Brust zuviel ist, kann mit Hilfe eines Taillenabnähers reduziert werden. Das ist auch dann sinnvoll, wenn die Taille nicht "wespenschmal" ist - ich finde sogar "gerade dann" - denn ein Zuviel an Stoff macht nur das dicker, was ohnehin schon nicht immer schmal ist.



Der Taillenabnäher verläuft meistens senkrecht - parallel zur vorderen Mitte. An eurem Schnittteil zeichnet ihr nun eine Waagrechte dort ein, wo die Taille sein soll. Aber Achtung: ich nehmt nicht die Taille, wie sie im Schnitt eingezeichnet ist (weil ihr sie aufgrund der Taillenrundung dort vermutet), sondern messt von der Schulter eure vordere Länge nach unten, um die Lage eurer Taille zu markieren!

Jetzt kennt ihr die Stelle, an der ihr euer Taillenmaß braucht. Theoretisch solltet ihr nun die Taillenweite durch 4 teilen, denn wir konstruieren ja nur an einem halben Vorderteil und lassen den Rücken gerade noch außer acht. Das ist allerdings in meinem Fall nicht sinnvoll, weil ich auf Taillenhöhe Bauch2 habe. Ich brauche also vorne mehr Taillenweite als hinten. Die korrekte Variante ist, einen vorderen Taillenumfang und einen hinteren Taillenumfang zu messen. So kann genau dort die Weite hin gebracht werden, wo sie gebraucht wird.

Damit ihr nicht durcheinander kommt:
Der Taillenumfang ist das tatsächliche Taillenmaß, während die Taillenweite das Maß des Kleidungsstückes auf der Höhe der Taille ist. Das heißt, die Taillenweite enthält bereits eine Bequemlichkeitszugabe, weil ihr ja keine Wursthaut nähen wollt.



Also, addiert zu eurem Viertel-Taillenumfang noch ungefähr einen Zentimeter Bequemlichkeitszugabe und die Abnäherbreite - so breit sollte auf Taillenhöhe euer halbes Vorderteil nun sein. Ist es das nicht, korrigiert die Seitennaht und malt die Taillenrundung neu aus. Das kann frau mit einem Kurvenlineal machen, muss sie aber meines Erachtens nicht, denn das geht auch freihändig.

Jetzt zeichnet ihr den Abnäher, in dem ihr den Abnäherinhalt halbiert, und links und rechts auf der Senkrechten, die durch den BP läuft auf der Taillenlinie markiert. Idealerweise endet der Abnäher nicht auf dem BP, sondern die Abnäherspitze wird ca. 2 cm  nach unten versetzt. (auf meinem Bild falsch) Ihr könnt den Abnäher als Gerade nähen oder aber auch leicht gebogen, um der Körperform mehr zu schmeicheln.

Nun noch den Brustabnäher korrigieren

Der Brustabnäher, der durch das Aufschneiden entsteht, zeigt leider nicht auf den Brustpunkt (BP), deshalb müssen wir ihn noch einmal korrigieren. Damit der Brustabnäher auch nicht auf dem BP endet (das sähe doof aus), markieren wir die Abnäherspitze ca. 2cm weiter Richtung Seitennaht. Nun verbinden wir die Abnäherspitze mit den Endpunkten der Abnäherschenkel auf er Seitennaht und malen einen neuen Abnäher ein.






Was kann ich machen, wenn ich sehr viel Abnäherinhalt habe?

Wer viel Brust in Relation zum restlichen Körper hat, bekommt beim Vergrößern mit einer FBA große Abnäherinhalte. Ihr erinnert euch, wer bei gradierten Schnittmustern eine größere Größe wählt, bekommt auch breitere Schultern und ein insgesamt breiteres und längeres Schnittteil geliefert. Wer nun aber nur im Brustbereich Weite zufügt, behält das schmalere Schnittteil, erzeugt die Weite nur dort, wo sie nötig ist und die Stoffreduktion muss eben in die Abnäher.  Das sieht nicht immer schön aus - deswegen ist es eine gute Möglichkeit, die Stoffmenge auf mehrere Abnäher zu verteilen. Dazu muss ich aber erst noch ein bisschen ausholen.




Abnäher rotieren

Durch die FBA wisst ihr, welche Abnäherinhalte ihr braucht, um Platz für die Brust zu schaffen. Die gute Nachricht ist: die Abnäher müssen nicht dort sein, wo sie jetzt eingezeichnet sind. Abnäher können überall im Vorderteil sein - das ist alles eine Frage des Designs. Und wenn ihr selbst näht, dann seid ihr die Designer!

Jetzt kommt etwas sehr sehr Spannendes. Eigentlich sind wir hier schon tief im Thema Schnittkonstruktion, aber das muss euch keine Angst machen und es ist auch für diejenigen interessant, die gar keine Schnitte selbst konstruieren wollen, sondern nur Fertigschnittmuster anpassen.

Man nennt das "Abnäher rotieren". Die Abnäher zeigen stets auf die stärkste Stelle und das ist im Vorderteil in der Regel der Brustpunkt. Dort wird der meiste Stoff gebraucht. Jetzt ist es möglich, die Abnäher rund um den Brustpunkt im Vorderteil dort zu verteilen, wo es gefällt. Die Wirkung ist stets die Gleiche, sofern der Abnäherinhalt gleich  und der Brustpunkt an Ort und Stelle bleibt.




Simple, aber auf Figur geschnittene Kleidungsstücke haben Brust-, Schulter, oder Taillenabnäher, aber das muss nicht sein. Ein interessantes Design wird es oft erst, wenn die Abnäher ganz woanders sind. Probiert es aus.  Malt eine Abnäherlinie dorthin, wo sie euch interessant erscheint, achtet aber darauf, dass sie auf den Brustpunkt zeigt. Nun schneidet ihr euer Schnittteil dort ein, wo der neue Abnäher hin soll und den konstruierten Abnäher an einem Schenkel auf. Nun schiebt ihr den Abnäher, den ihr nicht mehr wollt zusammen und - voilá es entsteht der neue Abnäher. It's magic!



Genauso habe ich es gemacht, als ich das "Kirschenkleid" für mich angepasst habe. Ich habe eine FBA gemacht und erzeugte einen Brustabnäher, der das Design zerstört hätte. Anschließend zeichnete ich mir, wie im Original Taillenabnäher ein und schloss den Brustabnäher, in dem ich die Taillenabnäher öffnete. Da ich viel Abnäherinhalt hatte, konstruierte ich zwei Taillenabnäher und zack hatte ich die Weite dort, wo ich sie brauchte und reduzierte sie wieder zwischen Brust und Taille.




Abnäher, Abnäher immer nur Abnäher - was mache ich, wenn ich keine Abnäher mag?

Zuallererst: Abnäher sind Freunde! Wer mit Webware näht und gut geschnittene Kleidung tragen möchte, kommt um Abnäher kaum herum. Zumindest theoretisch. Aber es gibt praktisch noch ein paar Schlupflöcher oder nennen wir es lieber "Design".

Abnäher nehmen dort Weite weg, wo keine gebraucht wird. Je näher man der Spitze kommt, umso mehr Weite ist dort vorhanden. Dieser Effekt kann auch anders erzeugt werden: eine Alternative zu Abnähern sind Falten und Kräuselungen.

Statt einen Abnäher von der breitesten Stelle bis zur Spitze zu nähen, kann an der breiten Stelle auch die Mehrweite in eine Falte gelegt oder eingekräuselt werden. Die Falte kann dabei auch noch unterschiedlich weit zugenäht werden. Zum Beispiel hat das beliebte Anna-Dress so eine Lösung: die zwei Taillenabnäher sind eigentlich keine Abnäher sondern zur Mitte gelegte Falten, die nur zum Teil zugenäht sind. Richtung Brust springen sie auf und schaffen so eine schmale Taille und Mehrweite für die Brust.

In der Zeitschrift Ottobre habe ich schon gesehen, dass statt eines Brustabnähers, ein Shirt unter dem Arm an der Seitennaht im Vorderteil leicht eingekräuselt wird. Das ist das gleiche Prinzip: statt eines Brustabnähers wird die Mehrlänge eingekräuselt und weil es Jersey ist, ruckelt sich das schon zurecht. Bei meinem Lieblingsjerseykleid Ajaccio wird auch statt eines Abnähers gekräuselt. Der Abnäher wurde zur vorderen Mitte rotiert und statt des Abnähers wird in diesem Bereich der Stoff eingekräuselt.



Na, fallen bei euch schon die Designs- und Konstruktionsgroschen? Schaut euch die technischen Zeichnungen von Schnittmustern an und/oder euere Kleidungsstücke. Ihr werdet einen Blick dafür bekommen, auf welche Weise Mehrweite erzeugt und wieder weggenommen wird.

Wie gesagt, wir sind hier bei Schnittmusteranpassungen und nicht im Konstruktionskurs. Ihr müsst das alles nicht können und dürft auch weiterhin noch schöne Schnittmuster kaufen, denn in so einem Schnittmuster steckt viel Gehirnschmalz einer gelernten und erfahrenen KonstrukteurIn mit drin. Aber wenn ihr diese Grundlagen verstanden habt, dann müsst ihr euch nicht über Brustabnäher oder Taillenabnäher ärgern, die bei einer FBA entstehen. Wenn sie euch nicht gefallen, verteilt Abnäherinhalte, fügt sie zusammen oder rotiert sie dorthin, wo es zum Design passt oder ohnhin schon vorgesehen ist. Ist das nicht großartig, dass das möglich und gar nicht so schwer ist?

Und Teilungsnähte?

Zum Schluss möchte ich noch ein paar Worte zu Taillungsnähten schreiben. Eine Teilungsnaht im Vorderteil ist nicht viel anderes, als ein zusammengefügter Schulter - und Taillenabnäher.

 

Hier ist ein Vorderteil mit Brustabnäher und Taillenabnäher. Beide Abnäher zeigen auf den Brustpunkt. Der Brustabnäher kann zu einem Schulterabnäher verlegt werden.




Wenn beide Abnäher verbunden sind, dann kann das Schnittteil an dieser Linie aufgeschnitten werden und wir erhalten ein mittleres Vorderteil und ein seitliches Vorderteil. Die Abnäherinhalte sind "nur Luft" und werden einfach weggelassen. Beim Zusammennähen "schließen wir sozusagen die Abnäher" und erhalten ein Vorderteil, das im Brustbereich Weite hat und die Konturen zart umschmeichelt. Daher kommt der Rat, bei viel Oberweite bevorzugt Schnitte auszuwählen, die Teilungsnähte haben. Abnäher sind unnötig und ihr müsst euch nicht mit großen Abnäherinhalten herumschlagen.



Ha, aber jetzt kommts! Viele Frauen sagen "Schnitte mit Teiungsnähten sind gut anzupassen". Ja, das stimmt wenn genug Nahtzugabe gelassen wurde. Und das stimmt auch, wenn der Brustpunkt (noch) ungefähr da sitzt, wo er laut Schnittmuster vorgesehen ist. Solltet ihr schon mal Schwierigkeiten gehabt haben, einen Schnitt mit Teilungsnähten anzupassen, dann liegt es genau daran. Aber keine Sorge, ich zeige euch, wie ihr beim nächsten Mal besser vorgeht.

Sucht im Schnittmuster den Brustpunkt. Mein Tipp: das ist die Stelle, an der das vordere Seitenteil die größte Rundung hat. Wenn ihr Glück habt, hat das Schnittmuster genau an dieser Stelle ein Passzeichen. Markiert den im Schnittmuster vorgesehenen Brustpunkt. Dann nehmt ihr eure Maße zur Hand und markiert die Brusttiefe auf dem Schnittmuster (ihr erinnert euch, das ist von der Schulter bis zur stärksten Stelle der Brust gemessen).  Wenn euer Brustpunkt an einer anderen Stelle sitzt als im Schnittmuster, ändert ihr lieber im Vorfeld die Schnitteile.

Ich bin großer Fan davon, freihändig Schnitte zu ändern. Kurvenlineale sind schön zur Schnittkonstruktion, aber ich nähe gar nicht präzise genug, dass die Millimeterabweichungen durch freihändiges Zeichnen eine Rolle spielen würde. Wenn ich in kurzen Strichen mit dem Bleistift vorzeichne bis mir eine Rundung gefällt, kann ich anschließend immer noch mit einem Filzstift die finale Rundung zeichnen - meinetwegen dann auch mit einem Kurvenlineal.

Wenn ich also ein Schnittmuster mit Teilungsnähten ändere, dann muss ich aufgrund der Wirkungen der Schwerkraft, den Brustpunkt nach unten verlegen. Ich zeichne dabei zunächst das seitliche Vorderteil runder und ändere dann das Mittelteil so, dass es beim Zusammennähen zueinander passt. Das kann ich am Schnittteil kontrollieren, in dem ich mit aufgestelltem Maßband die Länge der späteren Naht vergleiche. Das Maßband stelle ich deswegen auf, weil ich die Rundung so leichter messen kann.



Da sich Kleidungsstücke mit Teilungsnähten in der Tat leicht anpassen lassen, mache ich meine Schnittveränderung lieber etwas großzügig. Dann nähe ich mein Kleidungsstück zusammen, drehe es auf links und probiere es an. Nun kann ich die Teilungsnaht noch einmal so abstecken, dass die neue Nahtlinie meinen Konturen schmeichelt.

So, ihr seht, das war noch mal eine Menge zum Vorderteil. Das wäre einfach zu viel gewesen, das alles auch noch letzte Woche zu schreiben. Habe ich sonst noch was für das Vorderteil vergessen? Mir fällt gerade nichts ein, aber vielleicht euch?

Über Fragen, Ergänzungen und Ideen würde ich mich sehr freuen! Schreibt sie entweder in die Kommentare oder einen eigenen Blogartikel. Dazu dürft ihr auch gerne das Bildchen zur Serie mitnehmen. Ergänzende Blogartikel verlinke ich nachträglich hier in diesem Beitrag. 

Bisherige Beiträge der Serie:

  1. Grundlagen und Längenänderungen
  2. FBA und SBA - kombinierte Längen- und Weitenänderung im Oberteil
Nächste Woche sind Schulferien in Hamburg, da macht auch die Blogserie eine Woche Pause und am 15. März geht es dann weiter mit dem Rückenteil. 


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