Erst einmal herzlichen Dank für Eure Rückmeldungen zu meiner Blogserie "Schnittmuster anpassen" und zu meiner anderen Frage. Eure Anmerkungen und Ideen helfen mir sehr, sind wirklich wie Geschenke für mich und gehen natürlich runter wie Öl :-) Eine Woche Ferien-Pause waren ganz gut. Mir ist noch mal klarer geworden, warum mir die Blogserie "Schnittmuster anpassen" so viel Spaß macht: um noch nicht ganz fertige Gedanken zu veröffentlichen, sind Blogs das ideale Medium. Es ist schön, einfach mal drauf los zu schreiben, Gedanken zu ordnen, sie in eine Form zu bringen und die Reaktionen darauf zu lesen. Und es ist natürlich ganz großartig, wenn diese unfertigen Gedanken anderen nützlich sind. Wenn ich im Vorfeld darüber nachgedacht hätte, ob ich ein Buch über das Ändern von Schnittmustern schreiben wollte, hätte ich es vermutlich niemals begonnen, denn die Aufgabe erschien mir zu groß. Mittlerweile denke ich, "warum eigentlich nicht?", wohlwissend, dass es noch viel Arbeit wäre, die Woche für Woche entstehenden Beiträge in ein Buch zu verwandeln. Aber Lust hätte ich schon dazu, denn beim Schreiben ordnet sich so manches.
Als ich die Blogserie begann, war es mir klar, dass die Systematik das A und O sein würde und dass ich niemanden mit zu viel Informationen erschlagen will, denn meine Mission ist ja "Mut machen"! Es gibt ja unheimlich viele Informationen darüber, wie Grundschnitte erstellt werden, wie Schnitte angepasst werden können und und und. Aber in meinen Augen gibt es nicht das perfekte Buch, mit dem diese vielen Möglichkeiten so aufbereitet sind, dass es leicht erlernbar, logisch verständlich, ansprechend erklärt wird und das gleichzeitig so leicht und motivierend ist, es auch tatsächlich zu tun. Wahrscheinlich geht es euch wie mir: das Bücherregal ist voller durchgeblätterter und halbgelesener Bücher, der Browser voller Lesezeichen und trotzdem ist manches noch unklar und vieles, was ich eigentlich weiß, wende ich aus Bequemlichkeit nicht an.
Selbermachen fängt schon beim Schnitt an
Gerade Letzteres ist so entscheidend. Obwohl ich in den letzten Jahren so viel über Schnittkonstruktion etc. gelernt habe und mir das Lernen wirklich viel Spaß machte, habe ich doch im Vorfeld des Nähens oft keine Lust, mich ausführlich mit einem Schnitt zu befassen. Ich habe ein Bild von meinem fertigen Kleidungsstück im Kopf, einen wunderbaren Stoff hier liegen und will endlich anfangen und vor allen Dingen auch fertig werden. Mir fällt es wahnsinnig schwer, mich aufzuraffen, und erstmal den Schnitt zu bearbeiten und damit das Erfolgserlebnis "fertiges Kleidungsstück" um mindestens einen Näh-Abend nach hinten zu schieben.
Aber immerhin habe ich den Mut und das Wissen, etwas zu ändern. Ich glaube, manchen von Euch ist noch gar nicht wirklich klar, dass sie dazu in der Lage sind, Schnitte zu ändern, dass sie dies dürfen! Obwohl wir Selbermacherinnen sind, denken wir oft, dass sich das Selbermachen auf das Nähen bezieht, dabei wäre es tatsächlich sinnvoll, viel früher anzufangen und den Schnitt selbst zu machen bzw. für sich selbst anzupassen, statt zu glauben, mit einem Fertigschnittmuster ans Ziel zu kommen und alles wird gut.
Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, heute noch nicht beim Rückenteil weiter zu machen, sondern erst noch ein paar generelle Überlegungen vorneweg zu schicken. Jetzt sind wir also genau an dem Punkt "unfertige Blogtexte" statt "fertigem Buch". Ich blättere sozusagen noch mal zwei Kapitel zurück und gehe zurück auf Los. Ich möchte euch noch die Hemmungen nehmen, Schnitte zu verändern und euch ermutigen, dies zu tun. Wahrscheinlich ist das genau der Punkt: Du musst erst mal auf die Idee kommen, Schnittmuster anzupassen! Es ist so verführerisch zu glauben, einfach drauflos nähen zu können. Dabei sind Körper so verschieden.
Auf dem Weg zum Maßschnitt
Schnitte anpassen ist nichts anderes, als hier etwas Weite zuzufügen und dort etwas Weite wegzunehmen.
Klingt einfach. Ist es im Prinzip auch.
In der zweidimensionalen Form, also dem Schnittmuster aus Papier, wird dazu nur der Schnitt an einer bestimmten Stelle ("gewusst wo!") auseinander geschnitten und nach Bedarf auseinander gezogen oder zusammen geschoben.
Damit dann aber nicht überall alles weiter oder enger wird, müssen wir uns Schritt für Schritt durch alle Körperpartien durcharbeiten, Weite zufügen oder weg nehmen und Körpermaße und Schnitt vergleichen.
Im Prinzip ist es das schon. Das ist das, was wir verändern können, wenn wir am zweidimensionalen Papierschnitt arbeiten. Das, was wir damit erzeugen, ist ein Schnittmuster dass vermutlich schon viel besser ist, als vorher. Wir nähern uns durch diese Vorgehensweise einem guten Schnitt für unserem Körper an. Was danach kommt, wie sich der Stoff verhält und das wir genauso wie bei einer Damenschneiderin auch eine Anprobe machen müssen und gegebenenfalls korrigieren müssen, das ist ein ganz anderes Kapitel.
Aber das, was wir theoretisch Körperpartie für Körperpartie vorbereiten, ist ein großer Schritt hin zu einem Maßschnitt für unseren ganz speziellen Körper.
Wir brauchen die richtigen Maße statt den richtigen Körper!
Je mehr ich über das Thema "Schnittmuster anpassen" nachdenke, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es sinnvoll ist, den Körper in Teile zu zerlegen und diese einzelnen Partien getrennt voneinander zu betrachten. Die Idee, die dahinter steckt ist folgende: Menschen sind dreidimensional und je mehr Masse ein Mensch hat, um so vielfältiger sind die Dimensionen. Die üblichen Maße - Brustumfang, Taille, Hüfte - reichen einfach nicht aus, um einen Frauenkörper zu beschreiben. Deswegen können diese Maße auch nicht ausreichen, um eine Schnittmustergröße auszuwählen und mit diesem Schnitt ein garantiert passformgenaues Kleidungsstück zu erzeugen. Wenn wir schon keinen 3-D-Scan machen, sondern von einem zweidimensionalen Schnittmuster ausgehen, um einen Stoff um unseren Körper zu drapieren, dann müssen wir - ähnlich wie auf einer Landkarte - die "Berge" markieren und berücksichtigen. Genau, wie wir die Erdkugel in Längen- und Breitengrade einteilen, halte ich es für immer sinnvoller, unseren Körper mit Hilfslinien zu versehen, um ihn zu vermessen, zu markieren und die Körpergeographien zu bestimmen, an denen zusätzlich Platz geschaffen werden muss.
Teilmaße statt Umfänge
Mich stört, dass in der Regel die kompletten Umfänge, die in Maßtabellen verwendet werden. Um es ganz platt zu sagen: die meisten Frauen haben auf dem Rücken keine Brüste. Der Brustumfang ist also eine völlig unzureichende Größe, um genau zu beschreiben, wo Frauen auf Brusthöhe etwas mehr haben, wenn wir davon ausgehen, dass eine gute Passform auch beinhaltet, dass die Seitennähte da sitzen, wo sie hingehören. Wählen wir ein Kleidungsstück über den Brustumfang aus und haben viel Brust, dann kann es gut sein, dass das Kleidungsstück entweder auch am Rücken entsprechend weit ist oder aber das die Seitennähte zum Vorderteil wandern statt ordentlich lotrecht an der Seite zu sitzen.
Deswegen habe ich mich bei dem Thema "Verbreitern" auch zunächst nur auf das Vorderteil konzentriert. Das heißt nicht, dass es nicht auch oft am Rücken noch Weite braucht. Aber das ist eben ein anderes Thema. Wenn wir die Seitennähte dort haben wollen (lotrecht, genau unter der Achsel) und wenn wir vornerum Platz brauchen, dann müssen wir auch genau dort Platz schaffen. Konsequenterweise wäre es also sinnvoll, einen "vorderen Brustumfang" als Maß zu nutzen und eine Rückenbreite, statt eines kompletten Brustumfanges.
Je mehr ein Körper Richtung "große Größe" tendiert, um so vielfältiger sind auch die Stellen, an denen dieser Körper von der Norm abweicht. Die Figur von Barbie zu benähen, ist relativ einfach: Barbie hat ordentlich Holz vor der Hütte und ist ansonsten schmal. Ich hingegen habe Brüste, Bauch1 und Bauch2, ich habe einen beachtenswerten Po, Rettungsringe um die Taille, Oberschenkel, die beim Sitzen eine ganz andere Form annehmen, als im Stehen und Oberarme, die sich auch bewegen wollen. Zwischen Kinn und Knie gibt es diverse Stellen, an denen ich mehr Weite benötige und diese beschreiben zu wollen, dafür reichen die Angaben Brust/Hüfte/Taille einfach nicht aus.
Echte Maße statt Hilfslinien
Und dann ist es wichtig, nicht mit den Hilfslinien und den wirklichen Körpermaßen durcheinander zu kommen. Erinnert ihr euch? Im letzten Beitrag wies ich euch darauf hin, nicht die Taillenlinie des Schnittes zu beachten, sondern euren wirklichen Taillenumfang. Im Navigieren durch einen Schnitt dem Einfügen von Änderungen geht es darum, diese an der richtigen Stelle zu positionieren. Wie bei Längengraden und Breitengraden und wie bei X und Y in der Mathematik brauchen wir Koordinaten, um Positionen zu bestimmen. Wir brauchen den Taillenumfang (oder genauer gesagt den vorderen Tailllenumfang) und die vordere Länge, um genau zu wissen, wo wir im Schnitt die Taille korrigieren. Es nützt nichts, die Taillenrundung zu suchen und dort einfach weiter zu machen, wenn unsere Maße nicht mit denen der Maßtabelle übereinstimmen.
Es ist entscheiden, wo was im Schnitt vorgesehen ist und wo ihr was an eurem Kleidungsstück braucht. Also sucht den Brustpunkt im Schnitt und überlegt, ob ihr da, das Maximum an Weite braucht, oder wo ganz anders. (Zur Erinnerung: den Brustpunkt im Schnitt findet ihr, wenn ihr vorhandene Brustabnäher und Taillenabnäher verlängert. Dort wo der Schnittpunkt ist, ist der BP im Schnitt vorgesehen. Hat das Schnittteil keine Abnäher, dann ist die Faustregel, dass der BP ungefähr in der Mitte des Schnitteils liegt, also jeweils auf der Hälfte der vorderen Länge und der Hälfte der Strecke zwischen Seitennaht und vorderer Mitte.) Was nützt euch, die korrekte Brustweite, wenn sie ganz woanders ist, als ihr sie braucht!
Seid mutig!
Seid mutig und erobert euch ein Schnittmuster. Geht nicht davon aus, dass dieses bereits "wie für euch gemacht ist" - das ist es nicht. Studiert es genau, sucht die wichtigen Punkte und Hilflinien und vergleicht sie mit euren Maßen. Und wenn etwas nicht stimmt, dann ändert es. Es ist keine Magie, sondern nur ein Aufschneiden oder Zusammenschieben von Papierteilen.
Das, was nach euren theoretischen Überlegungen herauskommen mag, ist möglicherweise noch nicht perfekt, denn Änderungen hier ziehen oft Änderungen dort nach sich und überhaupt wissen wir ja, dass sich jeder Stoff anders verhält. Aber das, was nach gründlichen Vorüberlegungen herauskommt, ist mit großer Sicherheit schon weitaus besser, als das, was ihr euch bisher genäht habt.
Nächste Woche geht es dann wirklich mit dem Rückenteil weiter!
Seid nicht enttäuscht, weil ihr doch schon so lange auf die "Änderungen am Rückenteil wartet". Die kommen schon noch! Und seid auch bitte nicht enttäuscht, dass es noch keines der "versprochenen" Videos gab. Ich finde das auch schade. Wie gerne, hätte ich ein FBA-Tutorial-Video gedreht und ich war wirklich guten Willens, es zu tun. Aber erst war mir das Konzept nicht klar, dann hatte ich keine Zeit und als ich Zeit hatte, war kein gutes Licht und ein Bad-Hair-Day....... ein Video zu drehen, ist - für mich, die das Schreiben gewohnt ist - ein großes Projekt. Da fällt es mir leichter, ein Bildchen zu basteln und meine Gedanken zu verschriftlichen. Die Idee, Videos zu drehen, ist nicht vom Tisch, aber seit dem ich mit einem Buch zum Thema liebäugele, schreibe ich lieber. Und nächste Woche, wenn die Schulferien vorbei sind und ich wieder mehr im Arbeitsalltag angekommen bin, male ich auch wieder Bildchen und wir widmen uns endlich, endlich dem Rücken! Versprochen!
Als ich die Blogserie begann, war es mir klar, dass die Systematik das A und O sein würde und dass ich niemanden mit zu viel Informationen erschlagen will, denn meine Mission ist ja "Mut machen"! Es gibt ja unheimlich viele Informationen darüber, wie Grundschnitte erstellt werden, wie Schnitte angepasst werden können und und und. Aber in meinen Augen gibt es nicht das perfekte Buch, mit dem diese vielen Möglichkeiten so aufbereitet sind, dass es leicht erlernbar, logisch verständlich, ansprechend erklärt wird und das gleichzeitig so leicht und motivierend ist, es auch tatsächlich zu tun. Wahrscheinlich geht es euch wie mir: das Bücherregal ist voller durchgeblätterter und halbgelesener Bücher, der Browser voller Lesezeichen und trotzdem ist manches noch unklar und vieles, was ich eigentlich weiß, wende ich aus Bequemlichkeit nicht an.
Selbermachen fängt schon beim Schnitt an
Gerade Letzteres ist so entscheidend. Obwohl ich in den letzten Jahren so viel über Schnittkonstruktion etc. gelernt habe und mir das Lernen wirklich viel Spaß machte, habe ich doch im Vorfeld des Nähens oft keine Lust, mich ausführlich mit einem Schnitt zu befassen. Ich habe ein Bild von meinem fertigen Kleidungsstück im Kopf, einen wunderbaren Stoff hier liegen und will endlich anfangen und vor allen Dingen auch fertig werden. Mir fällt es wahnsinnig schwer, mich aufzuraffen, und erstmal den Schnitt zu bearbeiten und damit das Erfolgserlebnis "fertiges Kleidungsstück" um mindestens einen Näh-Abend nach hinten zu schieben.
Aber immerhin habe ich den Mut und das Wissen, etwas zu ändern. Ich glaube, manchen von Euch ist noch gar nicht wirklich klar, dass sie dazu in der Lage sind, Schnitte zu ändern, dass sie dies dürfen! Obwohl wir Selbermacherinnen sind, denken wir oft, dass sich das Selbermachen auf das Nähen bezieht, dabei wäre es tatsächlich sinnvoll, viel früher anzufangen und den Schnitt selbst zu machen bzw. für sich selbst anzupassen, statt zu glauben, mit einem Fertigschnittmuster ans Ziel zu kommen und alles wird gut.
Deswegen habe ich mich dazu entschlossen, heute noch nicht beim Rückenteil weiter zu machen, sondern erst noch ein paar generelle Überlegungen vorneweg zu schicken. Jetzt sind wir also genau an dem Punkt "unfertige Blogtexte" statt "fertigem Buch". Ich blättere sozusagen noch mal zwei Kapitel zurück und gehe zurück auf Los. Ich möchte euch noch die Hemmungen nehmen, Schnitte zu verändern und euch ermutigen, dies zu tun. Wahrscheinlich ist das genau der Punkt: Du musst erst mal auf die Idee kommen, Schnittmuster anzupassen! Es ist so verführerisch zu glauben, einfach drauflos nähen zu können. Dabei sind Körper so verschieden.
Auf dem Weg zum Maßschnitt
Schnitte anpassen ist nichts anderes, als hier etwas Weite zuzufügen und dort etwas Weite wegzunehmen.
Klingt einfach. Ist es im Prinzip auch.
In der zweidimensionalen Form, also dem Schnittmuster aus Papier, wird dazu nur der Schnitt an einer bestimmten Stelle ("gewusst wo!") auseinander geschnitten und nach Bedarf auseinander gezogen oder zusammen geschoben.
Damit dann aber nicht überall alles weiter oder enger wird, müssen wir uns Schritt für Schritt durch alle Körperpartien durcharbeiten, Weite zufügen oder weg nehmen und Körpermaße und Schnitt vergleichen.
Im Prinzip ist es das schon. Das ist das, was wir verändern können, wenn wir am zweidimensionalen Papierschnitt arbeiten. Das, was wir damit erzeugen, ist ein Schnittmuster dass vermutlich schon viel besser ist, als vorher. Wir nähern uns durch diese Vorgehensweise einem guten Schnitt für unserem Körper an. Was danach kommt, wie sich der Stoff verhält und das wir genauso wie bei einer Damenschneiderin auch eine Anprobe machen müssen und gegebenenfalls korrigieren müssen, das ist ein ganz anderes Kapitel.
Aber das, was wir theoretisch Körperpartie für Körperpartie vorbereiten, ist ein großer Schritt hin zu einem Maßschnitt für unseren ganz speziellen Körper.
Wir brauchen die richtigen Maße statt den richtigen Körper!
Je mehr ich über das Thema "Schnittmuster anpassen" nachdenke, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass es sinnvoll ist, den Körper in Teile zu zerlegen und diese einzelnen Partien getrennt voneinander zu betrachten. Die Idee, die dahinter steckt ist folgende: Menschen sind dreidimensional und je mehr Masse ein Mensch hat, um so vielfältiger sind die Dimensionen. Die üblichen Maße - Brustumfang, Taille, Hüfte - reichen einfach nicht aus, um einen Frauenkörper zu beschreiben. Deswegen können diese Maße auch nicht ausreichen, um eine Schnittmustergröße auszuwählen und mit diesem Schnitt ein garantiert passformgenaues Kleidungsstück zu erzeugen. Wenn wir schon keinen 3-D-Scan machen, sondern von einem zweidimensionalen Schnittmuster ausgehen, um einen Stoff um unseren Körper zu drapieren, dann müssen wir - ähnlich wie auf einer Landkarte - die "Berge" markieren und berücksichtigen. Genau, wie wir die Erdkugel in Längen- und Breitengrade einteilen, halte ich es für immer sinnvoller, unseren Körper mit Hilfslinien zu versehen, um ihn zu vermessen, zu markieren und die Körpergeographien zu bestimmen, an denen zusätzlich Platz geschaffen werden muss.
Teilmaße statt Umfänge
Mich stört, dass in der Regel die kompletten Umfänge, die in Maßtabellen verwendet werden. Um es ganz platt zu sagen: die meisten Frauen haben auf dem Rücken keine Brüste. Der Brustumfang ist also eine völlig unzureichende Größe, um genau zu beschreiben, wo Frauen auf Brusthöhe etwas mehr haben, wenn wir davon ausgehen, dass eine gute Passform auch beinhaltet, dass die Seitennähte da sitzen, wo sie hingehören. Wählen wir ein Kleidungsstück über den Brustumfang aus und haben viel Brust, dann kann es gut sein, dass das Kleidungsstück entweder auch am Rücken entsprechend weit ist oder aber das die Seitennähte zum Vorderteil wandern statt ordentlich lotrecht an der Seite zu sitzen.
Deswegen habe ich mich bei dem Thema "Verbreitern" auch zunächst nur auf das Vorderteil konzentriert. Das heißt nicht, dass es nicht auch oft am Rücken noch Weite braucht. Aber das ist eben ein anderes Thema. Wenn wir die Seitennähte dort haben wollen (lotrecht, genau unter der Achsel) und wenn wir vornerum Platz brauchen, dann müssen wir auch genau dort Platz schaffen. Konsequenterweise wäre es also sinnvoll, einen "vorderen Brustumfang" als Maß zu nutzen und eine Rückenbreite, statt eines kompletten Brustumfanges.
Je mehr ein Körper Richtung "große Größe" tendiert, um so vielfältiger sind auch die Stellen, an denen dieser Körper von der Norm abweicht. Die Figur von Barbie zu benähen, ist relativ einfach: Barbie hat ordentlich Holz vor der Hütte und ist ansonsten schmal. Ich hingegen habe Brüste, Bauch1 und Bauch2, ich habe einen beachtenswerten Po, Rettungsringe um die Taille, Oberschenkel, die beim Sitzen eine ganz andere Form annehmen, als im Stehen und Oberarme, die sich auch bewegen wollen. Zwischen Kinn und Knie gibt es diverse Stellen, an denen ich mehr Weite benötige und diese beschreiben zu wollen, dafür reichen die Angaben Brust/Hüfte/Taille einfach nicht aus.
Echte Maße statt Hilfslinien
Und dann ist es wichtig, nicht mit den Hilfslinien und den wirklichen Körpermaßen durcheinander zu kommen. Erinnert ihr euch? Im letzten Beitrag wies ich euch darauf hin, nicht die Taillenlinie des Schnittes zu beachten, sondern euren wirklichen Taillenumfang. Im Navigieren durch einen Schnitt dem Einfügen von Änderungen geht es darum, diese an der richtigen Stelle zu positionieren. Wie bei Längengraden und Breitengraden und wie bei X und Y in der Mathematik brauchen wir Koordinaten, um Positionen zu bestimmen. Wir brauchen den Taillenumfang (oder genauer gesagt den vorderen Tailllenumfang) und die vordere Länge, um genau zu wissen, wo wir im Schnitt die Taille korrigieren. Es nützt nichts, die Taillenrundung zu suchen und dort einfach weiter zu machen, wenn unsere Maße nicht mit denen der Maßtabelle übereinstimmen.
Es ist entscheiden, wo was im Schnitt vorgesehen ist und wo ihr was an eurem Kleidungsstück braucht. Also sucht den Brustpunkt im Schnitt und überlegt, ob ihr da, das Maximum an Weite braucht, oder wo ganz anders. (Zur Erinnerung: den Brustpunkt im Schnitt findet ihr, wenn ihr vorhandene Brustabnäher und Taillenabnäher verlängert. Dort wo der Schnittpunkt ist, ist der BP im Schnitt vorgesehen. Hat das Schnittteil keine Abnäher, dann ist die Faustregel, dass der BP ungefähr in der Mitte des Schnitteils liegt, also jeweils auf der Hälfte der vorderen Länge und der Hälfte der Strecke zwischen Seitennaht und vorderer Mitte.) Was nützt euch, die korrekte Brustweite, wenn sie ganz woanders ist, als ihr sie braucht!
Seid mutig!
Seid mutig und erobert euch ein Schnittmuster. Geht nicht davon aus, dass dieses bereits "wie für euch gemacht ist" - das ist es nicht. Studiert es genau, sucht die wichtigen Punkte und Hilflinien und vergleicht sie mit euren Maßen. Und wenn etwas nicht stimmt, dann ändert es. Es ist keine Magie, sondern nur ein Aufschneiden oder Zusammenschieben von Papierteilen.
Das, was nach euren theoretischen Überlegungen herauskommen mag, ist möglicherweise noch nicht perfekt, denn Änderungen hier ziehen oft Änderungen dort nach sich und überhaupt wissen wir ja, dass sich jeder Stoff anders verhält. Aber das, was nach gründlichen Vorüberlegungen herauskommt, ist mit großer Sicherheit schon weitaus besser, als das, was ihr euch bisher genäht habt.
Nächste Woche geht es dann wirklich mit dem Rückenteil weiter!
Seid nicht enttäuscht, weil ihr doch schon so lange auf die "Änderungen am Rückenteil wartet". Die kommen schon noch! Und seid auch bitte nicht enttäuscht, dass es noch keines der "versprochenen" Videos gab. Ich finde das auch schade. Wie gerne, hätte ich ein FBA-Tutorial-Video gedreht und ich war wirklich guten Willens, es zu tun. Aber erst war mir das Konzept nicht klar, dann hatte ich keine Zeit und als ich Zeit hatte, war kein gutes Licht und ein Bad-Hair-Day....... ein Video zu drehen, ist - für mich, die das Schreiben gewohnt ist - ein großes Projekt. Da fällt es mir leichter, ein Bildchen zu basteln und meine Gedanken zu verschriftlichen. Die Idee, Videos zu drehen, ist nicht vom Tisch, aber seit dem ich mit einem Buch zum Thema liebäugele, schreibe ich lieber. Und nächste Woche, wenn die Schulferien vorbei sind und ich wieder mehr im Arbeitsalltag angekommen bin, male ich auch wieder Bildchen und wir widmen uns endlich, endlich dem Rücken! Versprochen!