Vorgestern las ich das lesenswerte Interview über Schönheit auf dem großartigen makelosmag-Blog mit der vielen von uns bekannten und geschätzten Bloggerin "Michou" und ein Satz daraus, liess mich nicht mehr los.
Das Nähen der eigenen Kleidung erfordert eine intensive Beschäftigung mit dem eigenen Körper. Es nützt nicht wirklich einfach "irgendwas" zu nähen. Bekleidungsnähen wird erst dann befriedigend, wenn es für einen speziellen Körper passt und da bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns mit genau diesem Körper zu beschäftigen. Für mich bedeutete das hinzusehen, wo ich vorher eher wegsah, doch ich tue dies unter einer anderen Prämisse. Statt nach Fehlern zu suchen, suchte ich nach Lösungen. Details, dich ich eigentlich lieber übersehen würde, musste ich beim Nähen plötzlich Aufmerksamkeit schenken - anders ist es nicht möglich, passformgenaue Kleidung zu nähen. Beim Nähen gilt es, sich wirklich zu sehen, die komplette Wahrheit, denn anders, als bei einem Foto nützt Baucheinziehen nichts.
Die Frage ist allerdings, was wir mit diesen Details machen. Wir können sie sehen, zur Kenntnis nehmen, aber wir müssen sie nicht bewerten! Für die meisten Details habe ich noch nicht einmal Namen. Damit ihr versteht, wovon ich rede, sage ich „Bauch1 und Bauch2“, aber ich versuche so weit es geht, die klassischen Bezeichnungen zu vermeiden, wohlwissend, dass sie viel zu oft weh tun können. Phänomene wie z.B. „Reiterhosen“ implizieren eine Abwertung. Jedenfalls habe ich noch keine Frau sagen gehört, dass ihre Reiterhosen genau das sind, was sie so sexy macht. Ich kenne solche Begriffe nur als Beschreibungen eines ungeliebten, weil vom Ideal abweichenden Körperteils. Mädchen lernen solche Vokabeln schon früh!
Wenn ich meinen Körper vermesse und Änderungen, die ich abgesteckt habe, auf einen Schnitt übertrage, dann braucht das Phänomen keinen Namen. Es handelt sich nur um eine Schnittanpassungen im Sinne von "hier ein paar Zentimeter mehr und da etwas höher..." und genau diese Änderungen sind etwas völlig Normales. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass wer sich nicht mit dem Anpassen von Schnitten beschäftigen will, es erst gar nicht mit dem Nähen von Bekleidung probieren sollte. Ich weiß, das klingt streng und in vielen Fällen ist Jersey, ein Stoff, der sich seinen Weg sucht, und die derzeit vorherrschende Mode, körperferne Kleidungsstücke als schön zu empfinden, eine Lösung. Das ist allerdings in meinen Augen nur wertvoll, als es Nähanfängerinnen helfen mag, das Nähen zu lernen, ohne sich vom Thema Schnittänderungen bremsen zu lassen. Ich denke, dass irgendwann der Punkt beim Nähen von Frauenbekleidung kommt, an dem es gar nicht mehr anders geht, als sich so zu sehen wie wir aktuell aussehen ohne dabei den Bauch einzuziehen und ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen, um vorgegebene Schnittmuster zu persönlichen Schnittmustern zu machen.
Die Frage ist doch, ob uns das belastet oder nicht. In dem Moment, in dem wir in Schubladen denken und diese Abweichungen als Makel begreifen, erscheint uns das Ändern eines Schnittmusters als Last. Wenn wir glauben, dass es schwierig wäre, ein Schnittmuster an die eigene Figur anzupassen, dann wird es uns als große Aufgabe vorkommen und sich tatsächlich auch als schwierig erweisen. Wenn wir Perfektion vor Augen haben und uns Schwierigkeiten lähmen, dann steht das Scheitern quasi vor der Tür.
Aber warum streben wir so sehr nach Perfektion? Ist Perfektion wirklich schön? Na klar, auch ich bin es gewöhnt, schlanke und makellose Körper schön zu finden, weil ich sie überall vorgeführt bekomme und seit Jahrzehnten darauf konditioniert bin, einen bestimmten Körpertyp besonders schön zu finden. Und na klar: auch ich finde ein extrem gut geschnittenen Blazer oder ein perfekt auf die Figur angepasstes Kleid unglaublich toll! Aber gleichermaßen weiß ich, dass mein Leben weit davon entfernt ist, Perfektion als annähernd realistisches Ziel in Betracht zu ziehen. Alles um mich herum ist unperfekt. So what?! Ich bin nach wie vor der Meinung, dass jede auf ihren ersten selbstgenähten Rock stolz sein darf, auch wenn es sich nur um zusammengenähte Rechtecke mit einem Gummizug handelt. Im Laufe des Nähens werden wir besser und anspruchsvoller und dürfen zu Recht stolz auf das sein, was wir produziert haben, denn es ist auf jeden Fall besser als Kleidungsstücke, die auf Kosten von Menschen in ärmeren Ländern hergestellt wurden und als Wegwerfware in den Läden hängen. Wir stecken Zeit und Liebe in das Herstellen der eigenen Kleidung, wir machen das für einen wertvollen Menschen und wir lernen dabei stetig weiter, ohne dabei perfekt zu sein. Wir geben uns Mühe und lieben das, was wir tun. Das ist verdammt viel wert!
Ich werde besser - auch wenn ich den allgegenwärtigen Selbstoptimierungswahn durchschaue und ablehne. Einfach so. Ich werde besser in Dingen, die mich interessieren, die mich faszinieren, die ich genau betrachte, denen ich auf den Grund gehe und die ich übe. Ich werde einfach besser, einfach so, ohne deswegen Perfektion anzustreben. Und gleichzeitig werde ich auch gelassener, weil ich weiß, dass selbst „sehr gut“ meist nur einen flüchtigem Moment dauert. Mein Lieblingsbeispiel ist die „Steh-Hose“, die auf Fotos unheimlich gut aussieht, aber im Alltag nicht zum Sitzen taugt. Wenn eine Hose zu unserem Leben passen soll, dann muss sie etwas weiter sein und hat nach einiger Zeit wahrscheinlich ein paar Sitzfalten. Elasthan kann helfen und knitterfreie Stoffe auch und trotzdem sieht eine brauchbare Hose vermutlich nur fast so schön aus, wie eine Steh-Hose. Doch es liegt an uns, ob wir „fast so schön“ denken oder uns über unsere neue Hose freuen!
Wenn ich Schnittmuster für mich anpasse, dann habe ich die Wahl, mich darüber zu grämen, dass ich keinen 0815-Körper habe und diese zusätzliche Aufgabe machen muss oder ich kann mich darüber freuen, dass es mir möglich ist dies zu tun. Ich mache es, so gut ich es kann und ich werde jedes Mal ein bisschen besser. Ich nähe Kleidungsstücke, die nicht perfekt sind, aber es sind meine Kleidungsstücke: für mich ausgesucht, ausgedacht und für mich gemacht. Ich kann mich darüber freuen, dass ich laufend dazu lerne und mehr und mehr dazu in der Lage bin, diesen speziellen Körper hübsch zu umhüllen. Ich brauche keine Angst davor zu haben, dass sich dieser Körper mit den Jahren und den Aufgaben, die er zu erledigen hat, verändert. Ich lerne einfach weiter und lerne Lösungen zu entwickeln, die genau zu mir und meinem aktuellen Körper passen. Ich kann das als Herausforderung sehen, ohne die Details zu benennen und zu bewerten - vielleicht ist das die größte Herausforderung und noch viel schwieriger, als das kleine 1x1 der Schnittanpassungen.
"Mir hingegen ist erst dank der Beschäftigung mit Schnittmustern klar geworden, was bei mir alles nicht stimmt."Bei ganz vielen Antworten in diesem Interview denke ich "jawohl", aber diesem Satz muss ich einfach etwas entgegen setzen. Ich glaube, dass es wenig nützt, in Defiziten zu denken, das lähmt nur. Ich glaube, es gibt letztlich mehr Kraft mit dem zu arbeiten was ist, etwas Schönes zu produzieren, stolz darauf zu sein und daraus Kraft zu ziehen. Das ist die Botschaft meines Buches und sie ist so wichtig, dass ich immer wieder versuche neue Worte dafür zu finden.
Das Nähen der eigenen Kleidung erfordert eine intensive Beschäftigung mit dem eigenen Körper. Es nützt nicht wirklich einfach "irgendwas" zu nähen. Bekleidungsnähen wird erst dann befriedigend, wenn es für einen speziellen Körper passt und da bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns mit genau diesem Körper zu beschäftigen. Für mich bedeutete das hinzusehen, wo ich vorher eher wegsah, doch ich tue dies unter einer anderen Prämisse. Statt nach Fehlern zu suchen, suchte ich nach Lösungen. Details, dich ich eigentlich lieber übersehen würde, musste ich beim Nähen plötzlich Aufmerksamkeit schenken - anders ist es nicht möglich, passformgenaue Kleidung zu nähen. Beim Nähen gilt es, sich wirklich zu sehen, die komplette Wahrheit, denn anders, als bei einem Foto nützt Baucheinziehen nichts.
Die Frage ist allerdings, was wir mit diesen Details machen. Wir können sie sehen, zur Kenntnis nehmen, aber wir müssen sie nicht bewerten! Für die meisten Details habe ich noch nicht einmal Namen. Damit ihr versteht, wovon ich rede, sage ich „Bauch1 und Bauch2“, aber ich versuche so weit es geht, die klassischen Bezeichnungen zu vermeiden, wohlwissend, dass sie viel zu oft weh tun können. Phänomene wie z.B. „Reiterhosen“ implizieren eine Abwertung. Jedenfalls habe ich noch keine Frau sagen gehört, dass ihre Reiterhosen genau das sind, was sie so sexy macht. Ich kenne solche Begriffe nur als Beschreibungen eines ungeliebten, weil vom Ideal abweichenden Körperteils. Mädchen lernen solche Vokabeln schon früh!
Wenn ich meinen Körper vermesse und Änderungen, die ich abgesteckt habe, auf einen Schnitt übertrage, dann braucht das Phänomen keinen Namen. Es handelt sich nur um eine Schnittanpassungen im Sinne von "hier ein paar Zentimeter mehr und da etwas höher..." und genau diese Änderungen sind etwas völlig Normales. Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, umso mehr komme ich zu der Überzeugung, dass wer sich nicht mit dem Anpassen von Schnitten beschäftigen will, es erst gar nicht mit dem Nähen von Bekleidung probieren sollte. Ich weiß, das klingt streng und in vielen Fällen ist Jersey, ein Stoff, der sich seinen Weg sucht, und die derzeit vorherrschende Mode, körperferne Kleidungsstücke als schön zu empfinden, eine Lösung. Das ist allerdings in meinen Augen nur wertvoll, als es Nähanfängerinnen helfen mag, das Nähen zu lernen, ohne sich vom Thema Schnittänderungen bremsen zu lassen. Ich denke, dass irgendwann der Punkt beim Nähen von Frauenbekleidung kommt, an dem es gar nicht mehr anders geht, als sich so zu sehen wie wir aktuell aussehen ohne dabei den Bauch einzuziehen und ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen, um vorgegebene Schnittmuster zu persönlichen Schnittmustern zu machen.
Die Frage ist doch, ob uns das belastet oder nicht. In dem Moment, in dem wir in Schubladen denken und diese Abweichungen als Makel begreifen, erscheint uns das Ändern eines Schnittmusters als Last. Wenn wir glauben, dass es schwierig wäre, ein Schnittmuster an die eigene Figur anzupassen, dann wird es uns als große Aufgabe vorkommen und sich tatsächlich auch als schwierig erweisen. Wenn wir Perfektion vor Augen haben und uns Schwierigkeiten lähmen, dann steht das Scheitern quasi vor der Tür.
Aber warum streben wir so sehr nach Perfektion? Ist Perfektion wirklich schön? Na klar, auch ich bin es gewöhnt, schlanke und makellose Körper schön zu finden, weil ich sie überall vorgeführt bekomme und seit Jahrzehnten darauf konditioniert bin, einen bestimmten Körpertyp besonders schön zu finden. Und na klar: auch ich finde ein extrem gut geschnittenen Blazer oder ein perfekt auf die Figur angepasstes Kleid unglaublich toll! Aber gleichermaßen weiß ich, dass mein Leben weit davon entfernt ist, Perfektion als annähernd realistisches Ziel in Betracht zu ziehen. Alles um mich herum ist unperfekt. So what?! Ich bin nach wie vor der Meinung, dass jede auf ihren ersten selbstgenähten Rock stolz sein darf, auch wenn es sich nur um zusammengenähte Rechtecke mit einem Gummizug handelt. Im Laufe des Nähens werden wir besser und anspruchsvoller und dürfen zu Recht stolz auf das sein, was wir produziert haben, denn es ist auf jeden Fall besser als Kleidungsstücke, die auf Kosten von Menschen in ärmeren Ländern hergestellt wurden und als Wegwerfware in den Läden hängen. Wir stecken Zeit und Liebe in das Herstellen der eigenen Kleidung, wir machen das für einen wertvollen Menschen und wir lernen dabei stetig weiter, ohne dabei perfekt zu sein. Wir geben uns Mühe und lieben das, was wir tun. Das ist verdammt viel wert!
Ich werde besser - auch wenn ich den allgegenwärtigen Selbstoptimierungswahn durchschaue und ablehne. Einfach so. Ich werde besser in Dingen, die mich interessieren, die mich faszinieren, die ich genau betrachte, denen ich auf den Grund gehe und die ich übe. Ich werde einfach besser, einfach so, ohne deswegen Perfektion anzustreben. Und gleichzeitig werde ich auch gelassener, weil ich weiß, dass selbst „sehr gut“ meist nur einen flüchtigem Moment dauert. Mein Lieblingsbeispiel ist die „Steh-Hose“, die auf Fotos unheimlich gut aussieht, aber im Alltag nicht zum Sitzen taugt. Wenn eine Hose zu unserem Leben passen soll, dann muss sie etwas weiter sein und hat nach einiger Zeit wahrscheinlich ein paar Sitzfalten. Elasthan kann helfen und knitterfreie Stoffe auch und trotzdem sieht eine brauchbare Hose vermutlich nur fast so schön aus, wie eine Steh-Hose. Doch es liegt an uns, ob wir „fast so schön“ denken oder uns über unsere neue Hose freuen!
Wenn ich Schnittmuster für mich anpasse, dann habe ich die Wahl, mich darüber zu grämen, dass ich keinen 0815-Körper habe und diese zusätzliche Aufgabe machen muss oder ich kann mich darüber freuen, dass es mir möglich ist dies zu tun. Ich mache es, so gut ich es kann und ich werde jedes Mal ein bisschen besser. Ich nähe Kleidungsstücke, die nicht perfekt sind, aber es sind meine Kleidungsstücke: für mich ausgesucht, ausgedacht und für mich gemacht. Ich kann mich darüber freuen, dass ich laufend dazu lerne und mehr und mehr dazu in der Lage bin, diesen speziellen Körper hübsch zu umhüllen. Ich brauche keine Angst davor zu haben, dass sich dieser Körper mit den Jahren und den Aufgaben, die er zu erledigen hat, verändert. Ich lerne einfach weiter und lerne Lösungen zu entwickeln, die genau zu mir und meinem aktuellen Körper passen. Ich kann das als Herausforderung sehen, ohne die Details zu benennen und zu bewerten - vielleicht ist das die größte Herausforderung und noch viel schwieriger, als das kleine 1x1 der Schnittanpassungen.