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Materialkunde vom Feinsten - ein Videokurs über Maschenproben und viel mehr

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Foto: makerist

Vorneweg: ich bin alles andere als objektiv in meinem Bericht über den Videokurs über Maschenproben. Wie sicherlich viele wissen, bin ich mit Marisa vom Maschenfein-Blog befreundet. Allerdings ist das auch kein Wunder: schließlich habe ich einen guten Geschmack bezüglich Freundinnen. Wenn einer eine so kompetente und nette Frau wie Marisa begegnet, wäre es doch Unsinn, sich nicht anzufreunden. Insofern ist meine Begeisterung zwar absolut subjektiv, aber in meinen Augen gerade deswegen gerechtfertigt. 

Weil wir befreundet sind, habe ich den Videokurs kostenlos angesehen, aber weil ich ein Nerd bin, hätte ich ihn mir auch gekauft, wäre es ein Buch gewesen. Geld habe ich für diesen Beitrag nicht bekommen.

Als mir Marisa davon erzählte, dass sie plant, etwas über Maschenproben zu machen, war ich begeistert. Die Maschenprobe ist ein etwas stiefmütterlich behandeltes Thema. Ich würde sogar so weit gehen, dass die Maschenprobe eher unbeliebt ist. Es gibt Informationen darüber, aber viele lesen darüber hinweg und nehmen sie nicht ernst. Gerade deswegen ist es so wertvoll, dass endlich mal alle Informationen zusammen getragen werden!


Foto: maschenfein


Maschenproben sind irgendwie unsexy. Für mich waren lange Jahre Maschenproben eine lästige Pflicht, über die ich schon einmal hinweg sah. "Ach, das bekomme ich auch auch ohne irgendwie hin", dachte ich oft und schenkte mir die Maschenprobe. Aber ich komme auch noch aus der Generation dämpfen, die von ihren Müttern bei welligen Stücken aus dem Handarbeitsunterricht die Tränen getröstet mit den Worten "das kann man alles in Form dämpfen" bekamen. Und außerdem war der erste Höhepunkt meiner Strickerinnenkarriere in den 80ern - ich strickte große Rechtecke, nähte davon zwei Zusammen und nannte das dann Pullover. Die Rechtecke hatten zwar kunstvolle Muster, aber über die Form des Kleidungsstückes bzw. die Passform machte ich mir wenig Gedanken. Irgendwie kam das schon hin und stolz war ich auf meine Werke allemahl. Und überhaupt: Säcke galten damals als lässig und als Öko war ich sowieso auf dem Trip, dass "zu schön" auch schädlich sein könnte.

Aber das ist lange her und seitdem ich selbstgenähte Kleider trage und das Stricken wieder für mich entdeckt habe, habe ich auch Ansprüche an die Passform meiner Strickjäckchen. Ein bisschen schlauer bin ich geworden, was nicht zuletzt am Nähen liegt. Wir Näherinnen sind es ja gewohnt, Anpassungen an Schnittmustern und genähten Kleidungsstücken vorzunehmen und das übertrug ich auf das Stricken. Uns Näherinnen ist es auch wohl vertraut zu wissen, dass "sich jeder Stoff anders verhält" - warum sollte es mit den Garnen anders sein! Als ich das kapierte, begann ich nicht nur über Qualität nachzudenken, sondern beschloss, etwas über Materialkunde zu lernen. Plötzlich ergaben Maschenproben einen Sinn und ich lernte diese Fingerübung vor dem eigentlichen Stricken zu schätzen. Beim Frühlingsjäckchen-Knit-Along 2014 auf dem Me Made Mittwoch-Blog habe ich von diesen damals für mich neuen Erkenntnissen eine Menge weiter gegeben. Aber nachdem ich den Maschenproben-Videokurs sah, denke ich, dass ich auch ne Portion Glück hatte, dass mein Frühlingsjäckchen etwas geworden ist, denn ich hätte noch systematischer vorgehen können.





Denn so ganz richtig habe ich das bisher auch noch nicht alles gemacht. Frau ribbelt zum Beispiel keine Maschenprobe aus Geiz wieder auf, um das Garn noch mal zu verstricken! Und überhaupt ist eine Maschenprobe nur sinnvoll, wenn diese - genau wie das zukünftige Kleidungsstück, vor dem Auszählen gewaschen und gespannt wird. Nun gut, das wusste ich schon, aber beherzigt habe ich das nur bei Strickjäckchen. Tücher zum Beispiel, stricke ich einfach drauf los. Und Mützen, die ich gerne in den letzten Tagen vor Weihnachten als Geschenk stricke, sind in der Tat wohl Überraschungspakete, denn ohne Maschenprobe oder genaueres Wissen über das Verhalten der einzelnen Fasern, sehen diese zwar frisch gestrickt gut aus, aber ob sie sich auch noch bewähren, wenn sie regennass sind oder nach einem Waschen - das habe ich die Beschenkten in den seltensten Fällen gefragt.

Besonders spannend fand ich das Kapitel über die Materiealeigenschaften der unterschiedlichen Fasern. Bei mir lief der Garnkauf bisher so: Projektwunsch, Budget begrenzt, Wollladen besucht und irgendwie das genommen, was von der Nadelstärke hinkam und mir farblich gefiel. Bei Fasern wie Kaschmir oder Seide bin ich reflexhaft begeistert und dann doch oft wieder knauserig, wenn ich den Gesamtbedarf für das Strickstück bedenke. Kurzum: ich gehe wenig planmäßig vor und nehme was ich kriege bzw. bezahlen kann/will. Das ist so ähnlich, wie Stoff auf dem Markt kaufen. Einfach losgehen und schauen, ob es zufällig Schätze gibt.


Foto: maschenfein



Das eine ihre Strickprojekte auch ganz anders planen kann, habe ich in dem Video gelernt. Die Art und Weise, wie Marisa vorgeht, ist die einer Strickdesignerin. Aber selbst wenn ich mit einer Anleitung arbeite, es gibt so viele Entscheidung von Garn- zu Größenwahl bis hin zu den richtigen Nadeln zu treffen, so dass der Designprozess letztendlich bei der Strickerin weiter geht.

Ich glaube, ich bin nun "verdorben". Seit dem ich weiß, wie unterschiedlich warm, elastisch, glänzernd und und und die Fasern sind und warum, seitdem ich gesehen habe, wie unterschiedlich Muster in unterschiedlichen Garnen zur Geltung kommen und seit dem ich das clevere System kennengelernt habe, mit denen Marisa ihre Maschenproben bezeichnet, werde ich wahrscheinlich komplett anders an das Thema Stricken rangehen. Ich stelle mir das nun so vor, dass ich eine Garn begegne, dass in einem Wolladen mit mir spricht. Ich fasse es an, nehme es mit nach Hause - nur ein Knäul - und experimentiere mit Mustern und Nadelstärken bis mir das Garn zuflüstert, was es werden will. Ist das nicht eine wundervolle sinnliche Vorgehensweise? Ich bin bezaubert. Wer hätte gedacht, dass aus einem Kurs, der so sehr nach Nerdkram klingt, so ein sinnliches Ergebnis kommen würde? Ich nicht!

Foto: maschenfein


Kurzum, ich bin begeistert. Das Thema Maschenproben ist alles andere als unsexy! Ich finde, dieses Hintergrundwissen über Material, Werkzeug und Techniken ist so unglaublich wertvoll - wieso lernen wir so etwas eigentlich nicht in der Schule? Ich lese gerne Bücher und hätte nicht gedacht, dass mir das Lernen mit einem Videokurs so viel Spaß machen könnte. Ich habe den Kurs an vier aufeinanderfolgenden Tagen gesehen und hatte bei jeder Lektion Aha-Effekte, obwohl ich mich eigentlich als durchaus versierte Strickerin bezeichnen würde. Als mich die letzten Tage das ausgewählte TV-Programm des Gatten nervte, schaute ich nebenher den Maschenprobenkurs auf dem ipad und fühlte mich, mit diesem Nerdkram gut unterhalten. Wer hätte das gedacht!

Wer auch die Nase voll von Ungewissheit beim Stricken hat, ob nach abertausenden von Maschen hinterher etwas Tragbares rauskommt oder nicht, der sei der Videokurs ans Herz gelegt. Ich finde ihn auf jeden Fall klasse und hoffe, dass Marisa darüber recht bald auch ein Buch schreibt, denn das Nachschlagen und blättern liegt mir ja doch mehr, als so ein Video. Aber bis dahin werde ich den Kurs einfach noch einmal schauen, denn ich habe sicherlich das eine oder andere aus der Vielzahl an Informationen schon wieder vergessen.

Foto: makerist


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