Eigentlich war es eine gute Idee, im Mai-Sale bei Lanade schon mal etwas Material für Weihnachtsgeschenke zu bestellen. Eigentlich. Optimistisch bestellte ich drei Stränge "Drops Lace", die häufig gehört und gelesenen Kommentare ignorierend, die feststellten, dass "Lacestricken so gar nichts für sie sei". Pah, dachte ich, ich bin doch eine geübte Strickerin und überhaupt habe ich so was schon mal in der Art gemacht und außerdem fühlt sich Seide toll an. Am Wochenende hatte ich etwas Ruhe und Muse, ein Laceprojekt zu beginnen.
Vor dem Vergnügen stand die Arbeit, den Strang zu einem Knäul zu wickeln. 800 m können verdammt lang sein. Ich war schon mittelmäßig genervt bevor ich überhaupt angefangen hatte, zu stricken. Nachdem ich ungefähr 30 Reihen gestrickt hatte, mußte ich mir eingestehen, dass die Nadelstärke wohl zu dick gewählt sei. Aufribbeln ging nur schlecht. Schlecht gelaunt warf ich den Fetzen in den Müll. Ich mag einfach nicht mehr mit Metallnadeln stricken, sondern bevorzuge mittlerweile die Holznadeln von Knit Pro, aber die richtige Nadelstärke hatte ich trotz mittlerweile reichhaltiger Auswahl leider nicht. Ich entschied mich für eine wesentlich kleinere Nadelstärke, eine weise Entscheidung, nun kann man einigermaßen erkennen, was ich strickte. Aber schön ist etwas anders und Spaß macht es auch nicht.
Beim Musterstricken warte ich immer auf den Moment, wo ich nicht mehr auf die Anleitung schauen muß, weil mir das Muster in Fleisch und Blut übergangen ist. Die Frage ist stets, wie schnell geht das bei einem neuen Muster geht. Wann schmeiße ich das Muster in die Ecke und entscheide mich für ein Anderes, weil mir der Rapport einfach nicht logisch ins Hirn eingebrannt ist. Bei glatter Wolle, die relativ fest verstrickt wird, geht es schnell: habe ich das Muster ein oder zweimal gestrickt, brauche ich die Anleitung nicht mehr (für das Muster). Bei Lace ist es etwas anderes. Diese Lockerstrickerei hat zur Folge, dass vor dem Spannen noch nicht wirklich viel vom Muster zu sehen ist. Ganz abgesehen davon, dass eine Reihe bzw. eine Reihe von Reihen schon ihre Zeit braucht, bei dem dünnen Garn, das eben nicht selbstverständlich von den Nadeln gleitet.
Jetzt sitze ich hier, schaue auf das kleine Dreieck und zweifele, ob ich daran weiter mache. Recht bald, noch weit vor Weihnachten brauche ich ein Geschenk - ob es wirklich ein Lacetuch sein muß? Wäre es nicht besser für meine Nerven, würde ich etwas wohlgehütetes Alpaca-Silk aus dem Lager holen und das Tuch noch einmal häkeln, dass ich letzte Weihnachten einer Freundin machte? Alpaka-Silk fühlt sich auch schön an und das Häkeln verschafft mir sicherlich ein schnelleres Erfolgserlebnis. Crafteln soll doch Spaß machen! Aber kaum denke ich das, sitzt das "Lenorgewissen" auf meiner Schulter und ermahnt mich, noch ein bißchen durchzuhalten. Vielleicht bin ich ja kurz vor dem Durchbruch, erkenne nach ein paar Reihen mehr schone etwas von dem Muster und habe die Logik des Musters intellektuell durchdrungen und auswendig im Kopf? Das Erfolgserlebnis, eine neue Herausforderung gemeistert zu haben, wäre doch eigentlich noch schöner, als nur ein schnell fertiges Tuch zu haben. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Was bleibt zu tun? Durchbeißen? Ein UFO riskieren, weil das Lustprinzip das Häkeln wählt? Es bleibt spannend.