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Frau Crafteln war bei der Farbberatung

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Ich hatte zwar schon angekündigt, dass ich mich bis Anfang Mai hier quasi gar nicht mehr zu Wort melde, aber vor ein paar Tagen war ich zur Farbberatung und darüber muss ich noch schreiben, so lange die Eindrücke frisch sind. Wenn ich dazu komme, dann programmiere ich euch noch ein paar Beiträge zu meiner Stoffladengeschichte und ansonsten lesen wir uns in Ruhe im Mai wieder.

Mein Hin-und-wieder-Arbeitgeber Stoff und Stil hat uns Verkäuferinnen eine Farb-und Stilberatung organisiert. In Gruppen von 8 Menschen hatten wir einen Abend lang eine Farbberaterin zu Besuch und weil natürlich alle gespannt auf die Tücher waren, kam es dann gar nicht zum Thema Stil - aber das war vermutlich auch besser so. Die Farbberaterinnen, die ich in meinem Leben schon getroffen habe, trugen ausnahmslos wallende farbenkräftige Seidenschals und waren stets sehr missionarisch unterwegs, so dass ich Angst bekam und das Weite suchte. Mich fasziniert das Thema schon sehr lange, aber ich hatte noch nie den Mut, mich so einer Beratung zu stellen, denn ich hatte Angst, dass man mir zu Pastellfarben raten würde und mir mein schöner Kleiderschrank verdorben werden würde. Ich liebe einfach ROT und BLAU und GRÜN, Farben, die laut und deutlich sagen, wer sie sind und kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, sie nicht mehr in meinem Kleiderschrank zu haben.

Zuerst wurden diese an den Jahreszeiten angelehnten Typen vorgestellt. Mir gefielen spontan die Frühlingsfarben, auch wenn sie mir einen Tick zu gelb waren. Dann gab es noch eine Farbkarte, die irgendein Mischtyp war und etwas hellere Farben hatte, als der Wintertyp, die mir zum Teil auch gefiel. Herbst schied für mich ganz klar aus, mit Nacktschneckenbraun, Rost und Beige konnte ich noch nie etwas anfangen. Ich fragte mich, ob die Vorliebe für bestimmte Farben, nicht etwas mit dem Typ zu tun haben könnte.



Ca. 15 Minuten hatte die Dame dann zum Tücherauflegen für jeden Menschen Zeit. Schmuck, Brille etc sollte abgenommen werden, das führte dann aber dazu, dass meine Augen schrecklich tränten und ich gar nichts mehr sah. Jetzt ist es ja mit meiner Brille so, dass ich das gleiche Modell in gold und in silber habe und hin und wieder einfach die Gläser tausche. Wenn ich die goldene Brille trage, sagen alle Leute immer "wow, wie harmonisch", aber in 90 % der Fälle trage ich die silberne, weil ich immer das Gefühl habe, dass man die goldene Brille gar nicht sieht. Ihr ahnt schon, worauf es hinaus läuft?

Auf dem Bild oben und an der Farbkarte unten seht ihr, welche Farben die Dame für mich optimal fand und an meinem Gesichtsaudruck erkennt ihr möglicherweise auch, dass es sich nicht um meine Lieblingsfarben handelt. Ich konnte zwar einigermaßen nachvollziehen, dass mein Teint und meine Augen bei dieser oder jener Farbe etwas gesünder aussah, aber was soll ich machen, ich finde die Farben "für den Sommer-Winter-Typ", die angeblich vorteilhaft sind, trutschig. Oder anders ausgedrückt. Bei allen Farben, die für mich und meine Kolleginnen rausgesucht wurden, hatte ich das Gefühl, dass sie zwar Kompetenz vermitteln, aber eben sehr edel wirken und wenig mit unserem Alltag zu tun haben. Alle Frauen sahen plötzlich mit den Tüchern aus wie Bank-Angestellte oder CDU-Politikerinnen. Mag sein, dass es an den seidigen Tüchern lag, aber komisch war es trotzdem. Ich habe gar nichts dagegen, kompetent auszuschauen, aber muß es trutschig-kompetent sein? Mir schien, der Blickwinkel der Beraterin lag doch sehr auf einem damenhaften Businessoutfit.




Auch Tage später frage ich mich immer noch, ob ich nicht zu rebellisch für so eine Beratung bin. Mag ja sein, dass manche Farben für mich "nett" sind, aber will ich wirklich nett sein? Wenn ich morgens auswähle, was ich anziehen will, dann entscheide ich mich zwischen den Polen "passt zu der Umgebung in der ich mich bewegen werde - oder nicht" und "will ich heute sichtbar sein - oder lieber in der Menge verschwinden". Jetzt könnte man ja sagen, dass dies auch in dem vorgegebenen Farbspektrum möglich wäre, aber ich zweifele. Ich denke schon, dass die Auswahl der Farben ganz stark mit Situation und Umgebung zusammen hängen und mit dem aktuellen Befinden. Ich mag sehr gerne "Statement-Farben" - klare, leuchtende Farben, die sagen "hier bin ich!". Ich finde, das passt zu mir, denn ich bin schon eher Rampensau als Mäuschen. Und dann gibt es eben diese Tage, an denen ich nicht angesprochen werden will und sehr gerne grau und jeansblau trage - laut Farbkarte wären die aber besonders schmeichelhaft für mich.




Ehrlich gesagt finde ich diese Farbberatungsache etwas dubios. Farbberatung soll Frauen helfen, perfekter, normierter zu werden. Relativ schlichte Regeln - zunächst, oder zumindest aus dem Blick der Laien - um Orientierung zu geben, alles richtig zu machen. Die Frage ist doch, ob ich angepasst sein und alles richtig machen will. In mir gibt es diese kleine Revoluzzerin, die eigentlich immer mitgenommen werden will und großen Spaß daran hat, Regeln zu brechen. Vielleicht bin ich ein Farb-Punk? Jedenfalls will ich Normen in Frage stellen, denn ich kann einfach nicht glauben, dass es eine richtige Figur, eine richtig Ernährung, ein richtiges Farbspektrum, einen richtigen Stil gibt, selbst wenn er auf verschiedene Typen ausgelegt ist.

Nun gut, vielleicht sollte ich etwas erwachsener und etwas weniger rebellisch sein, dann könnte ich damit leben zu sagen alles was obenrum ist, also Shirts, Oberteile und Jacken, sollten eher aus dem Farbschema kommen und untenrum darf ich eben wieder tragen, was ich will. Aber dann würde zum Beispiel meine geliebte rote Wickeljacke nicht ok sein. Frage an mich: mag ich die Jacke wegen ihrer Farbe oder ihrer Form? Ganz klar, ich mag die Jacke wegen ihrer Farbe - ich mag rot! - denn Wickeljacken sind schrecklich unpraktisch und diese könnte einen Ticken größer sein. Ok, wenn ich ganz ehrlich bin, dann könnte sie auch ein klitzekleinesbißchen weniger gelblichrot sein, aber "laut" soll sie trotzdem sein und ja nicht in Richtung weinrot und Konsorten. Schaut euch die Farben an, es sind nie die "Statementfarben", sondern immer dezent abgedeckt. Mit den Blautönen und dem Petrol kann ich leben, aber weinrot und pink...neeee.




Vielleicht ist es gar nicht dumm, in nächster Zukunft mit meiner aktuellen Vorliebe Rock + Shirt weiter zu machen, um mich an die neuen Farben zu gewöhnen, ohne gleich ne totale Verwandlung hinzulegen. Oder aber, ich suche mir tatsächlich noch mal eine andere Beraterin, die mir empfohlen wurde und sich mehr Zeit für mich nimmt. Denn, obwohl ich absolut nicht glücklich bin mit der Beratung, bin ich doch verunsichert - den Kolleginnen, die ich befragte, ging es ebenso.

Wart ihr auch schon mal bei einer Farbberatung? Und, hat sie euch glücklich gemacht? Teilt ihr meine Bedenken? Ich lade euch herzlich ein, auf meinem virtuellen Sofa Platz zu nehmen und zu diskutieren! 

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