Quasi auf den letzten Drücker, habe ich mein Stoffwechsel-Kleid genäht. Ihr lest richtig, ich habe es nicht nur auf den letzten Drücker fertig gestellt, nein, ich habe auch erst auf den letzten Drücker damit begonnen. Woran lag's? Zum einen kam der Badenixen-Sew Along dazu, der mich schon sehr beschäftigte (obwohl ich auch dort, nach dem bereits gelaufenen Finale, noch weit davon entfernt bin, Ergebnisse zu haben), aber was wirklich hinderlich war war dass mir der von meiner Stoffwechselpatin ausgesuchte Stoff nur so lala gefiel.
Ich deutete es im letzten Stoffwechsel-Beitrag ja schon an. Irgendwie wurden wir nicht so richtig warm, der Stoff und ich: das Muster war mir zu klein, die Farben zu sehr ins Blaue, statt ins türkis/petrolige, das rot einen Tick zu falsch und das Muster insgesamt, erinnerte mich an Kleidungsstücke meiner Eltern. Ich hätte diesen Stoff niemals für mich gekauft. Es ist nicht so, dass ich ihn hässlich finden würde, sondern ich fand einfach keinen Bezug zu dem Stoff. Sowohl "im Wohnzimmer drapieren", "Fotos von mir und dem Stoff machen" als auch "erstmal weglegen und das Unbewusste arbeiten lassen" funktionierte nicht. Der Final-Termin rückte näher und ich hatte einfach keine Lust, etwas daraus zu nähen.
Letztlich funktionierte doch der letzte Punkt "erstmal weglegen..." in Kombination mit meinem Pflichtgefühl. Ich hätte es einfach schäbig gefunden, aus der Aktion auszusteigen, hat sich doch jemand für mich viel Mühe gegeben. Außerdem sind diese widersprüchlichen Gefühle doch vielleicht genau der Witz von Stoffwechsel. Hätte ich einen Stoff bekommen, bei dem ich "Juchhu" geschrieen hätte, weil genau FrauCrafteln drauf steht, dann hätte meine Stoffpatin die Herausforderung zwar mit Auszeichnung bestanden, weil sie mich so gut kennt, aber für mich wäre es ein Kinderspiel gewesen. Ich fragte mich zwischendurch übrigens auch, ob ich mehr Vertrauen in den Stoff gehabt hätte, wenn ich gewusst hätte, wer meine Stoffpatin ist. Bei bestimmten Personen würde ich blind vertrauen und einfach tun, was sie vorschlagen. Ich habe keinerlei Idee, von welcher Nähnerdin der Stoff sein könnte. Wenn man mich zwingen würde, einen Tipp abzugeben, würde ich Frau Siebenhundertsachen nennen, aber das auch nur, weil ich mir aus dem Poststempel des Paketes etwas zusammenreime.
Wer sich schon mal mit mir zum Nähen verabredet hat, weiß, dass ich früher oder später sagen "eigentlich nähe ich gar nicht gerne". Das ist zwar nur die halbe Wahrheit, weil ich den Flow und die Konzentration, die sich beim Nähen oft einstellt, schon gerne mag. Aber obwohl mein Kleiderschrank mittlerweile ganz gut gefüllt ist, stellt sich meine Nähmotivation immer noch hauptsächlich über das unbedingte Bedürfnis, genau dieses Kleidungsstück meiner Träume anziehen zu wollen, ein. Ich sehe einen Stoff und/oder einen Schnitt und kann gar nicht mehr leben, ohne ein daraus entstandenes Kleidungsstück zu besitzen. Beim Stoffwechselstoff spürte ich nur die Verpflichtung. Ich konnte mir absolut vorstellen, weiter zu leben, ohne ein Kleidungsstück aus diesem Stoff zu besitzen.
Aber genau das ist doch die eigentliche Herausforderung! Ich gelobte zu Beginn der Aktion, mich auf etwas einzulassen, was ich sonst nicht selbst gewählt hätte. Zuerst dachte ich, ich müsse mal etwas anderes nähen; ein Oberteil zum Beispiel oder eine andere Silhouette. Aber die Herausforderung war ja schon der Stoff. Also zog ich in Erwägung, einfach noch ein "Frau-Kirsche-Kleid" zu nähen. Das wäre schnell gemacht und auf Nummer sicher gewesen. Ich befürchtete allerdings, dass ich anschließend das Kleid nicht anziehen würde - dafür war ich dann doch zu faul.
Zu guter letzt, reifte in mir eine Idee: ich wollte schon lange mal mehr aus einem Stoff machen, d.h. diesen mit einem anderen Stoff, gemustert oder uni, zu kombinieren. Es ist ein bisschen stumpfsinnig, einfach "ein Schnittmuster aus einem Stoff runterzunähen", aber Stoffkombinationen empfinde ich als heikel. Ganz schnell können Stoffkombinationen "witzig" aussehen, aber nach witzig steht mir derzeit nicht der Sinn. Mit einem einfarbigen Stoff zu kombinieren, erschien mir dann eine sicherere Bank, die ich unbedingt mal versuchen sollte. Und genau das motivierte mich dann, es endlich anzugehen.
Schon vor Wochen hatte ich B 6018 abgepaust und wollte diesen mit meinem Grundschnitt anpassen. Leider ernüchterte mich meine Schnittkonstruktionslehrerin mit der Aussage, dass das nicht funktionieren könnte: der Bogen im Vorderteil würde aufgrund der Schwerkraft ganz anders werden, als im Schnitt vorgesehen und niemals den in der anderen Richtung gerundeten Bogen des Rückenteils treffen. Es war also schnell klar, dass nur ein Bogen, wie er beim Frau-Kirsche-Kleid ist, möglich wäre. Ich konnte mich, nach dieser doofen Erkenntnis, wochenlang nicht aufraffen, das Rockteil zu vergrößern und das Oberteil anzupassen, obwohl ich den Kragen immer noch sehr toll fand.
Diese Woche hatte ich etwas Zeit, so dass ich am Dienstag quick and dirty mein, auf den Grundschnitt angepasstes, Frau-Kirsche-Kleid-Schnittmuster nahm und an dieses den Kragen bastelte und das Projekt zuschnitt: Das Kleid aus dem Stoffwechselstoff und die Kontraste aus rotem Baumwollleinen von Stoff und Stil. Das Nähen entwickelte sich als schwieriger, als gedacht, weil ich den Schnitt samt Anleitung nicht finden kann. Einen Abend frickelte ich am Kragen rum, einen zweiten Abend an den Manschetten. Dank netter twitter-Hilfe, danke Frau Siebenhundertsachen und @Beate, die mir ein Foto der Anleitung twitterte, bekam ich die Manschetten dann gegen Mitternacht doch noch ans Kleid. Sie sind zwar nun etwas schmaler, als vorgesehen, da ich beim Trennen einiges Abschnitt, aber ich finde sie immer noch bezaubernd.
@FrauCrafteln Vielleicht kann ein #nähnerd schnell die Anleitung fotografieren?
— Frau 700Sachen (@700sachen) 9. Juli 2014
So, wie es ist, gefällt mir das Kleid nun. Ich gestehe allerdings, mein Blick wird immer wieder auf die roten Details gelenkt, da ist der Rest fast egal. Ich glaube, der Stoff, die feine Baumwolle, die Farben und das Muster passen gut zu dem Kleid. Aber ich würde ihn dennoch nicht selbst für mich kaufen. Es war einfach keine Liebesheirat mit dem Stoff und mir, aber arrangierte Ehen halten angeblich auch gut und lange.
Im Nachhinein bin ich froh, nicht aufgegeben zu haben. Es fühlt sich schon cool an, sich durchgebissen zu haben. Ich freue mich, über mein neues Kleid (und ziehe es morgen zu einem "Anlass" an).
Ich bin allerdings nicht sicher, ob ich noch mal bei einer Aktion wie #Stoffwechsel mitmachen würde. Zum einen mußte ich in den letzten Wochen lernen, dass "Nähen auf Termin" für mich nicht gut ist. Finaltermine verursachen bei mir einen Druck, der mir die Freude nimmt. Ich werde versuchen auch weiterhin von der Inspiration und Wissenssammlung von Sew Alongs zu profitieren, aber ich werde trotzdem versuchen, mich von dem Zeitplan frei zu machen. Stoff geschenkt zu bekommen, finde ich im Nachhinein auch schwierig. Ich glaube, ich bin zu eigensinnig dafür. Ich kann es auch nicht ertragen, etwas für die Wohnung geschenkt zu bekommen, was ich mir nicht selbst ausgesucht habe. Was mir aber sehr an der Stoffwechselaktion gefallen hat, waren die Steckbriefe im Vorfeld, dir mir schon mal eine Menge Selbsterkenntnis (und Erkenntnisse über die anderen Teilnehmerinnen) brachte und das Feedback, das in dem Brief meiner Stoffpatin steckte. Eine theoretische Partneraktion unter nähnerds würde mir viel Spaß machen, bei der es um so eine Art gegenseitige Typberatung und Projektvorschläge geht. Vielleicht überlege ich mir mal was diesbezüglich.
1000 Dank an Frau Siebenhundertsachen, die Stoffwechsel ins Leben rief und liebevoll begleitete. Es war mir eine Freude, für dich einen Stoff auszusuchen und ich hoffe sehr, dass er dir so gut gefällt, wie du schreibst. Ganz herzlichen Dank auch an meine Stoffpatin - na, wer wars? - für den tollen, tollen Brief, den ich ganz bestimmt aufbewahre und immer noch mal lesen werde, weil da eine Menge drin steckt! Und natürlich auch herzlichen Dank für den Stoff! Ich weiß, du hast es gut gemeint und sicherlich sorgfältig gewählt. Wer weiß, vielleicht wird das ja doch noch eine ganz große Liebe mit mir und dem Kleid?!
P.S. Bilder ohne Hollywoodschaukel und Häschen (die twitter nähnerds wissen, wovon ich spreche), aber dafür noch vor der letzten Minute. Ich mußte die Häschen-Schaukel-Party leider wegen des Anlasses absagen. Wenn ihr aber unbedingt mal Schaukel-Häschen wollt, dann mache ich das mal für euch :-)